Die Gewinner und Gewinnerinnen des Ehrenamtspreises sind gekürt. Zum zehnten Geburtstag der Auszeichnung gab es ein opulentes Fest, das die Volksbank spendiert hat.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Das Engagement all jener, die ihre Freizeit und manchmal auch ihr Geld in die Gemeinschaft investieren, ist in diesen Zeiten des aufkommenden Extremismus, Rassismus und der Spaltungstendenzen in der Gesellschaft wertvoller denn je. Darin waren sich alle Redner bei der zehnten Verleihung des Ehrenamtspreises Stuttgarter/Stuttgarterin des Jahres am Donnerstagabend in der Volksbank Stuttgart einig. Oberbürgermeister Frank Nopper betonte in seiner Rede zum Geburtstag des Preises, dass „jeder einzelne ehrenamtliche Beitrag zählt, egal wie klein er auch erscheinen mag“.

 

Vielfalt des Engagements hinterlässt Eindruck

Auch Andreas Haas, Volksbank-Vorstand und Gastgeber der Feierstunde zu Ehren der Stuttgarter und Stuttgarterinnen des Jahres 2023, ist beeindruckt von der Vielfalt des Engagements: „Wenn man sieht, für was und wie sich viele hier in Stuttgart engagieren, geht einem das Herz auf.“ Anne Guhlich, die stellvertretende Chefredakteurin der Stuttgarter Zeitung, sieht in dem Preis auch einen Ansporn für andere, sich zu engagieren. Christoph Reisinger, Chefredakteur der Stuttgarter Nachrichten, betonte die gesellschaftliche Bedeutung des Ehrenamtes: „Es ist ein klarer Gradmesser für Integration.“

Als die Jury im Herbst 2023 den unermüdlichen Recherchen von Hildegard und Heinz Wienand zu den Biografien von Verfolgten und Ermordeten in der NS-Zeit den Sonderpreis zuerkannte, war nicht zu ahnen, welche besorgniserregende Aktualität er angesichts der rechtsradikalen und antisemitischen Umtriebe in Deutschland ein halbes Jahr später erhalten wird. „Sie widersprechen den Vogelschisslern“, sagte Chefredakteur Christoph Reisinger in seiner Laudatio in Anspielung auf eine skandalöse Äußerung von AfD-Mann Alexander Gauland und lobte das Ehepaar Wienand: „Sie geben den Verfolgten ihre Würde zurück.“

Stolpersteine als Gedenken und Mahnung

Die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten veröffentlichen in diesem Jahr jede Woche ein Porträt eines NS-Opfers, an das in Stuttgart ein Stolperstein erinnert. In der Stolperstein-Initiative ist das Ehepaar Wienands seit vielen Jahren aktiv. Auf sein Betreiben hin wurde auch eine Gedenkstele für die Bosch-Zwangsarbeiter in Feuerbach aufgestellt sowie eine Gedenktafel für Deserteure beim Theaterhaus.

Aus den 43 Vorschlägen, die für den diesjährigen Preis eingegangen waren, hatte die Jury bestehend aus Andreas Haas, Joachim Dorfs (STZ-Chefredakteur), Christoph Reisinger, Petra Xayaphoum (Stadtkind-Redaktion), Kim Bui (Turnerin) und Nils Runge (Nachtmanager) neun Vorschläge ausgewählt. Anfang des Jahres bestimmten die Leser und Leserinnen in einer Online-Abstimmung die Preisträger.

Erster Platz für Hasan Atamish

Klarer Sieger wurde mit über 27 Prozent Hasan Atamish, der beim DRK Ältere und Menschen mit einem Handicap berät, wie sie ihre Wohnung für ihre Bedürfnisse umgestalten können. „Für Hasan Atamish war früh klar: Er will nicht nur ein guter Architekt werden. Er will auch ein guter Mensch sein“, würdigte Haas den Stuttgarter des Jahres. Der Sohn eines irakischen Mediziner-Ehepaars, der in Jordanien aufwuchs, studierte an der Deutsch-Jordanischen Hochschule in Amman und kam vor sechs Jahren nach Deutschland. „Um fünf Uhr morgens gelandet, startete er bereits vier Stunden später an seinem neuen Arbeitsplatz“, betonte Haas. Der junge Mann war überwältigt von seiner Wahl: „Es ist eine unbeschreibliche Ehre und Freude“, sagte er vor den rund 130 Gästen. Er empfinde Demut und Dankbarkeit, dass ihm 2138 Menschen ihre Stimme gegeben hätten. Auf die Frage von Moderator Jan Sellner nach seiner Motivation sagte Atamish: „Ich wollte einfach etwas Gutes tun.“ Deshalb habe er beim DRK angefragt, und man habe ihm vorgeschlagen, sein Fachwissen als Architekt einzubringen.

Platz 2 für Alexander Knecht

Platz zwei belegt Alexander Knecht, langjähriger Trainer und Schiedsrichter im Blinden-Ball-Sport und Förderer des Behindertensports. „Er ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit und hat unzählige Leben positiv beeinflusst“, würdigte Jurymitglied Petra Xayaphoum sein jahrzehntelanges Engagement. „Er hat die Geduld und das Einfühlungsvermögen, das Beste aus jedem herauszuholen.“ Gespielt wird in einer inklusiven Mannschaft. Die Sehenden tragen eine blickdichte Brille. Unter den blinden Spielern und Spielerinnen reicht das Altersspektrum von 18 bis fast 80. Knecht bedankte sich bei seiner Familie: „Alles, was das Ehrenamt angeht, geht bei der Familie weg.“

Das Rennen um den dritten Platz war denkbar knapp. Er ging an Tanja Prause mit ihrem Kulturprojekt Props. „Das gibt auch benachteiligten Kindern die Möglichkeit, eine Bühne zu bekommen“, umriss Nils Runge in seiner Laudatio das Projekt mit dem Ziel der sozialen Integration. Props bedeutet in der Sprache des Hip-Hop so viel wie Wertschätzung, und so verteilte Runge „ein dickes Props“ an Prause. „Es ist ein inspirierendes Zeichen gegen die Spaltung, und es fördert Kreativität. So trägt es zur Toleranz in der Stadt bei.“ Tanja Prause war hocherfreut und betonte, dass sie den Preis im Namen des ganzen Teams entgegennehme.

Der jüngste Preisträger ist 20

Im Jubiläumsjahr bekamen die Plätze vier und fünf jeweils einen Sachpreis, denn das Ergebnis unterschied sich zum Teil nur um wenige Stimmen.D oris Bregenzer-Hellmann, die mit ihren grünen Damen und Herren am Robert-Bosch-Krankenhaus ein offenes Ohr hat für die Sorgen und Nöte der Patienten, die sie zu den Behandlungen begleitet, landete auf dem fünften Platz. „Grün sind wir, weil Grün die Hoffnung ist“, erklärte Doris Bregenzer-Hellmann stolz.

Der jüngste Preisträger ist gerade 20 geworden: Mohammad Reza Kharazmi verbringt die Samstagnacht oft auf dem Schlossplatz bei der „Haltestelle“ der mobilen Jugendarbeit. Dort ist die Anlaufstelle für junge Leute, die die Schattenseiten des Feierns kennengelernt haben. „Alkohol und andere Drogen spielen eine Rolle“, berichtet er. Weil er unbedingt zur Feier kommen wollte – dass er einen Preis erhält, nämlich den 4., wusste er gar nicht –, hatte er wegen des SSB-Warnstreiks den Weg von Botnang nach Cannstatt zu Fuß zurückgelegt.

Schönes musikalisches Begleitprogramm

Unter den Gästen war neben vielen Preisträgern der vergangenen zehn Jahre auch der stellvertretende zweite Vorstand der Volksbank Stuttgart, Oliver Grötsch. OB Nopper war mit Ehefrau Gudrun Weichselgartner-Nopper erschienen. Die Bürgerstiftung war mit Valentina Leventis und mit Silke Schmidt-Dencker, Geschäftsführerin der Kinderstiftung, vertreten.

Unplugged und von Danny Labana Martinez an der Gitarre begleitet, sorgte Eva Leticia Padilla mit ihrer souligen Jazzstimme für den beschwingten Rahmen an diesem Abend der guten Nachrichten. Und schon bei der Ankunft sowie später beim Büfett wurden die Gäste von dem 15-jährigen Pianisten Linus David aus Gerlingen bestens mit Musik der 1920er Jahre unterhalten.

Weitere Informationen finden Sie unter https://www.stuttgarter-des-jahres.de/