Im Internet einsehbare Bebauungspläne, Pässe online bestellen? Das nordrhein-westfälische Ibbenbüren ist Pilotkommune bei der digitalen Verwaltung. Auch weil ihr irgendwann die Mitarbeiter fehlen werden.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Das nordrhein-westfälische Ibbenbüren ist zwar Pilotkommune beim E-Government, der digitalen Verwaltung. Aber am Ziel sieht Bürgermeister Marc Schrameyer (43) seine Stadt noch lange nicht. Dabei ist die Digitalisierung für Gemeinden und Städte überlebensnotwendig, da auch den öffentlichen Verwaltungen in naher Zukunft die Facharbeiter fehlen werden.

 

Herr Schrameyer, auf der Internetseite der Stadt Ibbenbüren gibt es auch die Rubrik Chefkalender. Die zeigt, was Sie als Bürgermeister so alles tun. Gimmick oder mehr?

Es ist Teil eines etwas weitergehenden Konzeptes, was Transparenz und die Information der Bürger angeht. Insgesamt arbeiten wir uns langsam an den Stand heran, den wir selbst auch gerne hätten.

Sie sind noch nicht am Ziel?

Nein. Wir leben in einer Gesellschaft, die sich so schnell verändert. Durch seine Erfahrung etwa bei Banken und Versicherungen, wo Dienstleistungen ohne Kundenkontakt heute schon möglich sind, sieht der Bürger Verwaltungen in Sachen Informationen und Dienstleistung zunehmend in der Bringschuld. Deshalb müssen wir alle ganz dringend darüber nachdenken, wie wir künftig mit Bürgern umgehen.

Welche Bedeutung hat die Digitalisierung der Verwaltungsarbeit für die Zukunft?

Davor kann sich niemand verstecken. Wir müssen effizienter arbeiten, um Personalkapazitäten zu gewinnen. Dadurch dass die Babyboomer in Rente gehen, stehen wir als öffentliche Verwaltung vor der größten Herausforderung unserer Geschichte. Uns werden bundesweit bis 2030 über 800 000 Fachkräfte im öffentlichen Dienst fehlen. Das ist reine Notwehr, die wir mit der Digitalisierung betreiben.

Welchen Stellenwert hat das virtuelle Rathaus dabei, das auf der städtischen Homepage Ihre Geschäftsbereiche auflistet?

Das ist noch eine Baustelle. Wir stehen vor der großen Frage: Wie bekommen wir einen Dialog mit dem Bürger hin? Zentral ist die Frage, wo wir die Unterschrift des Bürgers zur Autorisierung brauchen. Im Grunde können wir alles digital, aber wir kommen nicht an den Bürger ran. Von dem, was die digitale Verwaltung erfordert, ist man noch weit weg. Das ist frustrierend.

Bebauungspläne online stark nachgefragt

Wo läuft es denn schon gut?

Wir haben alle Bebauungspläne online gestellt. Wir haben pro Jahr über 40 000 Downloads, pro Monat über 100 000 Zugriffe. Das ist für eine Stadt mit 55 000 Einwohnern gewaltig. Wir machen auch Beteiligungen online – etwa beim Kohlekonversionsprozess, von dem wir betroffen sind. Innerhalb von drei Monaten hatten wir über 800 originäre Einträge plus 5000 Bewertungen bekommen. Für eine Bürgerbeteiligung in einem Planungsprozess ist das gigantisch. Wenn man dem Bürger die Chance gibt, nutzt er das Angebot. Bei der Urkundenbestellung läuft es wunderbar.

Wie halten Sie den Prozess am Laufen?

Wir haben jetzt mit 14 anderen kleineren Gemeinden, die zum Teil nur 10 000 Einwohner haben, einen gemeinsamen Digitalisierungsmanager eingestellt. Bis zum Jahresende wollen wir die Grundlagen für alles gelegt haben. Denn es gibt kein Standardprogramm. Wir haben 72 unterschiedliche Softwareprogramme am Laufen, um unsere etwa 1000 Verwaltungskernprozesse abzubilden. Im nächsten Jahr wollen wir das Prozessmanagement angehen.

Wie nehmen Sie Ihre Mitarbeiter mit?

Sie sehen die Notwendigkeit. Ich setze natürlich als Verwaltungschef auch Duftmarken, indem ich die Digitalisierung zur Chefsache gemacht habe. Mittlerweile kommen Impulse aus den Fachabteilungen, was man noch digitalisieren kann. Die Mitarbeiter müssen die Digitalisierung zu ihrer eigenen Sache machen.