Kurz vor der Konferenz in Genf, die Syrien ein Ende des Bürgerkriegs bringen soll, haben sich die Fronten wieder verhärtet. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon riskiert mit einer überraschenden Einladung an den Iran das Scheitern einer friedlichen Lösung.

Teheran - Erbitterter Streit, Boykottdrohungen, Interviewduelle – das diplomatische Getöse vor der Syrien-Friedenskonferenz in der Schweiz wird immer lauter. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon überraschte 48 Stunden vor dem Auftakt die westlichen und arabischen Staaten mit einer Einladung der Vereinten Nationen an den Iran. Syriens Opposition, die sich erst am Sonntag mühsam zu ihrer Teilnahme hatte durchringen können, drohte daraufhin erneut mit dem Fernbleiben. Die Drohung zeigte Wirkung: Am späten Montagabend (deutscher Zeit) zogen die Vereinten Nationen ihre Einladung an den Iran wieder zurück. Unmittelbar danach bestätigte die Opposition ihre Teilnahme.

 

„Die Teilnahme des Irans ist für uns eine Rote Linie“, hatte die „Syrische Nationale Allianz“ zuvor klargemacht. Diese Position sei seit langer Zeit bekannt, weshalb diese Einladung von der Opposition als „Versuch, die Konferenz scheitern zu lassen“, gewertet werde. Der Iran hatte am Montag die zunächst erfolgte UN-Einladung angenommen und erklärt: „Wir hoffen, das die Konferenz zu einer internen und friedlichen Lösung der Syrien-Krise führen wird“.

Assad verspottet Vertreter der Exil-Opposition

Syriens Machthaber Assad belehrte derweil bebend vor Siegesgewissheit seine internationalen Widersacher per Interview. Seine Macht stehe nicht zur Debatte, ließ er seine Entourage bereits in der vergangenen Woche verkünden. Am Wochenende sprach er gegenüber der Nachrichtenagentur AFP sogar von einer „signifikanten Chance“, dass er bei den Präsidentenwahlen im Juni für eine dritte Amtszeit antritt. Vertreter der Exil-Opposition an der Macht im Land zu beteiligen, verspottete er dagegen als „total unrealistisch“ und als „echten Witz“.

Zum Auftakt der zweiten Syrien-Konferenz wollen die Außenminister von 40 Staaten am Mittwoch zunächst in schweizerischen Montreux zusammenkommen, ein Treffen mit vorwiegend zeremoniellem Charakter. Die eigentliche Arbeit beginnt am Freitag, wenn sich die Kriegsparteien in Genf unter der Regie des UN-Syrienvermittlers Lakhdar Brahimi erstmals Auge in Auge gegenübersitzen. Basis der Verhandlungen ist das offizielle Abschlusskommuniqué der ersten Genfer Konferenz vom Juni 2012. Damals hatten sich alle Seiten darauf verständigt, Syrien müsse eine Übergangsregierung mit voller exekutiver Befugnis bekommen. Die Rolle Assads in einem Nachkriegssyrien jedoch hatten die Diplomaten auf Druck von Russland und China offen gelassen.

Die Fronten sind verhärteter als je zuvor

Anderthalb Jahre später nun sind die Fronten dieses Bürgerkrieges, der schon mehr als 130 000 Menschen das Leben gekostet hat, verhärteter und verwirrender als je zuvor. Die Rebellen sind in heftige Kämpfe untereinander verwickelt. Die seit Herbst zur Islamischen Front zusammengeschlossenen radikalen Verbände, die alle Verhandlungen strikt ablehnen, attackieren die noch radikaleren Al-Kaida-Gotteskrieger des „Islamischen Staates für Irak und Syrien“ (ISIS). Diese hatten in ihren eroberten Enklaven eine Scharia-Schreckensherrschaft mit Todesurteilen, Folter und schweren Körperstrafen errichtet. Die „Freie Syrische Armee“ hingegen zerfällt. Ihre Kommandozentrale wurde von Dschihadisten gestürmt, ihre Waffen- und Vorratslager wurden geplündert.

„Wir machen Fortschritte, auch wenn der Sieg noch nicht in greifbarer Nähe liegt“, brüstete sich unterdessen Baschar al-Assad, dessen Luftwaffe in den letzten Wochen Rebellenviertel in Aleppo systematisch mit den berüchtigten Fässerbomben verwüstete. Nicht nur in Syrien, auch in der Region hat sich die Lage im Jahr 2013 zu Gunsten Assads verändert, der vor einem „Chaos im ganzen Nahen Osten“ warnte, sollte er den Bürgerkrieg verlieren. Sein regionaler Hauptkontrahent, der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan, geht gerade durch die schwerste Regierungskrise seiner zehnjährigen Amtszeit. Im Irak haben Al-Kaida-Kommandos, die in Syrien und Mesopotamien operieren, die beiden Städte Ramadi und Falluja unter ihre Kontrolle gebracht. Und Iran als wichtigster Waffenlieferant Syriens in der Region macht keine erkennbaren Anstalten, zu seinem Langzeitverbündeten auf Distanz zu gehen. Ägyptens neue Militärführung hegt wachsende Sympathie für Assad, den sie als Verbündeten im gemeinsamen Krieg gegen den Terror betrachtet.

Und so bleiben die Erwartungen an die zweite Genfer Konferenz sehr gedämpft. Wenn es gelänge, beide Seiten auf einen lokalen Waffenstillstand in Aleppo sowie auf humanitäre Korridore festzulegen, wäre das schon ein Erfolg. 2,3 Millionen Syrer sind bisher aus ihrer Heimat in die Nachbarländer geflohen. 6,5 Millionen irren ohne Obdach in den umkämpften Gebieten umher. Hunderttausende frieren und leiden Hunger, sind abgeschnitten vom Zugang zu Lebensmitteln oder ärztlicher Versorgung.

Washington zeigt sich brüskiert

Am Sonntag hatte Ban Ki-moon seine kurzfristige Einladung an Teheran noch verteidigt und dafür Applaus aus Moskau erhalten, dem zweiten Waffenbruder von Damaskus. Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif habe ihm mehrfach unter vier Augen versichert, sein Land wolle bei den Gesprächen eine „positive und konstruktive Rolle“ spielen, hatte Ban gesagt. Das brüskierte Washington wollte sich mit solchen Zusagen nicht zufrieden geben. Der Iran müsse öffentlich das Mandat der Genfer Konferenz akzeptieren, eine Übergangsregierung für Syrien zu etablieren, forderte ein Sprecher des US-Außenministeriums. Anderenfalls müsse die UN-Einladung rückgängig gemacht werden.

Gestern Abend dann die Kehrtwende Bans: über seinen Sprecher ließ der UN-Generalsekretär zunächst mitteilten, Ban Ki-moon sei „zutiefst enttäuscht“ vom Iran. Dieser habe entgegen vorheriger Zusagen erklärt, eine Übergangsregierung in Syrien doch nicht zu unterstützen. Kurz darauf hieß es dann, der Iran sei von der Konferenz wieder ausgeladen.