Im Tarifkonflikt des Einzelhandels stoppt der Dachverband HDE die festgefahrenen regionalen Tarifverhandlungen, um ein Spitzengespräch mit Verdi zu erzwingen. Die Gewerkschaft gibt eine klare Antwort.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Mit einer sogenannten „Notbremse“ bringt der Handelsverband Deutschland (HDE) die Gewerkschaft Verdi auf die Palme. Der Dachverband sieht in den seit einem halben Jahr laufenden regionalen Tarifverhandlungen für den Einzelhandel „keinen Sinn mehr“. So setzt der HDE weitere Gesprächstermine auf regionaler Ebene aus und fordert „schnellstmöglich ein Spitzengespräch mit Verdi auf Bundesebene“.

 

Damit soll die „Verweigerungshaltung der Gewerkschaft“ durchbrochen werden. Bis dahin hätten die Handelsverbände beschlossen, „für weitere Verhandlungstermine nicht zur Verfügung zu stehen“. Bisher habe es rund 60 regionale Gespräche gegeben – nun müsse eine „neue Ebene mit unserem Sozialpartner“ gefunden werden.

Zehn Prozent mehr Lohn reicht Verdi noch nicht

Am Freitag hatte der Handelsverband Baden-Württemberg in der sechsten Verhandlungsrunde erneut ein verbessertes Angebot vorgelegt. Demnach sollen die Einkommen über zwei Jahre tabellenwirksam um insgesamt zehn Prozent – konkret um sechs und vier Prozent – angehoben werden. Ferner bieten die Arbeitgeber den Vollzeitkräften eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von 500 Euro im ersten und 250 Euro im zweiten Tarifjahr – insgesamt 750 Euro.

Damit sei „die Schmerzgrenze maximal ausgereizt“, betont HDE-Tarifgeschäftsführer Steven Haarke. Schon Mitte September hatte der Dachverband den tarifgebundenen Mitgliedern die Anhebung der Tarifentgelte in Höhe von 5,3 Prozent als „freiwillige Vorweganhebung“ empfohlen. „Da die Gewerkschaft bislang in keinem einzigen Tarifgebiet ernsthaft mit uns verhandelt hat und auch bis heute keinen einzigen eigenen Lösungsvorschlag vorgebracht hat, müssen wir jetzt Konsequenzen ziehen“, sagt Haarke.

Das jüngste Angebot steht unter Vorbehalt

Ziel des Spitzengesprächs mit dem Verdi-Fachbereich Handel solle die Einigung über ein „neues effektives Verhandlungsformat“ sein. Der HDE droht: „Sollte in diesem neuen Format keine schnelle Lösung gelingen, erhalten die Arbeitgeber bei eventueller Fortsetzung der Verhandlungen 2024 das letzte Angebot nicht weiter aufrecht.“

In der Gewerkschaft ist nun die neue Verantwortliche für den Handel im Bundesvorstand, Silke Zimmer, gefordert. Diese hat dem Vernehmen nach die regionalen Verhandlungen stärker zentralisiert – was auch einem Bezirk wie etwa Baden-Württemberg den Verhandlungsspielraum nimmt, selbst zu einer Tariflösung zu kommen.

Lagerstandorte von Edeka-Südwest bestreikt

Am Montagnachmittag reagiert Zimmer „mit Empörung“ auf die konzertierte Aktion der Arbeitgeber. „Der HDE-Vorschlag, die Gespräche in den regionalen Tarifrunden zu beenden und lediglich ein sogenanntes Spitzengespräch mit den Konzernvertretern zu führen – also mit genau den Personen, welche monatelang eine Verbesserung der Angebote in den Tarifverhandlungen verhindert haben – ist skandalös und ein einmaliger Vorgang in der Tarifgeschichte,“ kritisiert sie. „Einen derart plumpen Versuch gegen die Tarifautonomie unserer Tarifkommissionen in den Bundesländern und eine weitere Schwächung der klein- und mittelständischen Struktur im Handel zugunsten der Konzerne können wir nicht hinnehmen.“ Streiks im Weihnachtsgeschäft „werden damit nahezu unausweichlich“, so Zimmer.

Lagerstandorte von Edeka-Südwest bestreikt

Im Tarifkonflikt des Groß- und Außenhandels hat Verdi am Montag die Beschäftigten an vier Lagerstandorten von Edeka-Südwest zum eintägigen Warnstreik aufgerufen. Betroffen sind die Logistikstandorte Heddesheim, Ellhofen, Offenburg und Balingen. Damit sollte Druck in der auch seit sechs Monaten laufenden Tarifrunde gemacht werden. Die Arbeitgeber bieten Lohnzuwächse von 5,1 und 2,9 Prozent für 24 Monate.