„Tatort“-Vorschau Des Guten zu viel

Es tut dem „Tatort“ selten gut, wenn er mehr sein will als ein Krimi. Und „Borowski und das verlorene Mädchen“ will ganz unbedingt mehr sein als ein Krimi. Die Fernsehmacher haben zu viel in diesem Film gepackt. Und dabei vergessen, dass ein „Tatort“ auch unterhaltsam und spannend sein sollte.
Kiel - Es tut dem „Tatort“ selten gut, wenn er mehr sein will als ein Krimi. Und dieser „Tatort“ will ganz unbedingt mehr sein als ein Krimi. Er plustert sich auf, macht sich wichtig, möchte auch ein Psychogramm sein, ein Sozialdrama, eine Gesellschaftsstudie , eine Dokumentation, eine Enthüllungsgeschichte. Außerdem sei der Film von „erschütternder Aktualität“. So bewirbt allen Ernstes der NDR „Borowski und das verlorene Mädchen“.
Immerhin, Kommissar Borowski (Klaus Milberg) ist offenbar erschüttert. So erschüttert, dass er sich recht emotionslos durch die 90 Minuten quält. Auch sein Gegenspieler Jürgen Prochnow als Staatsschützer Kesting wirkt so, als sei er zufällig in diesen Film geraten. Sie sind sowieso nur Nebendarsteller. Die Hauptrolle gebührt der beeindruckenden Mala Emde, die die 17-jährige Julia Heidhäuser spielt. Deren Mutter hat den Vater totgefahren, ihr Bruder ist ein aggressiver Proll, und ihre Freundinnen sind Zicken. Alles ganz furchtbar also: Sie flieht in den Islam, trägt Kopftuch, geht in die Moschee und ist bereit, als Braut zu einem IS-Kämpfer nach Syrien zu ziehen. Beobachtet wird sie dabei von Staatsschützer Kersting, der über sie die Strukturen des IS aufdecken will. Ganz nah dran ist die Kamera bei der Verpuppung des Schmetterlings in eine Raupe, bei der Verwandlung des blauhaarigen Mädchens in eine verhüllte Islamistenbraut. Das ist gut gedreht, es ist halt an vielen Stellen arg dick aufgetragen. Der salbadernde und scheinheilige Imam sowie der prügelnde Salafist dürfen nicht fehlen, ebenso der hinterlistige Staatsschützer.
Der Mord wird en passant gelöst
Ach ja, einen Mordfall gibt es auch. Eine Mitschülerin von Julia Heidhäuser wird umgebracht. Diesen Fall lösen Borowski und Partnerin Sarah Brandt (Sibel Kikeli) en passant, die Lösung ist banal und an den Haaren herbeigezogen. Doch das ist den Machern nicht wichtig. Dieser „Tatort“ hat nämlich nur ein Ziel: dass man hernach bei „Anne Will“ über ihn spricht. Das hat funktioniert. „Borowski und das verlorene Mädchen“ ist Thema in der Talkshow. Man wird sich dort auf die Schulter klopfen und die selbst zusammengebastelte Fiktion für die Wirklichkeit halten. Liebe ARD, möchte man rufen, dann sendet doch eine ordentliche Dokumentation, aber überfrachtet den „Tatort“ nicht. Er muss nicht bedeutungsschwanger daherkommen – spannend und unterhaltsam würde reichen.
ARD, Sonntag, 20.15 UhrUnsere Empfehlung für Sie

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