Eine Frankfurterin kann stundenlang Nachkommastellen der Kreiszahl Pi auswendig aufsagen. Sie ist deutsche Nummer 1 in dieser Disziplin. Bei einem Wettbewerb in Emden will sie ihren Titel verteidigen. Wie so was funktioniert? Wir zeigen Ihnen, mit welchen Methoden auch Sie Ihr Gedächtnis trainieren können.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Sie kennen sicher den Spruch: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen." Oder: „Übung macht den Meister“. Lehrer sagen das gerne zu ihren Schülern, um ihnen klar zu machen, dass man üben, üben und nochmals üben muss, um schlau zu werden.

 

Noch niemand ist als Intelligenzbestie auf die Welt gekommen. Intelligent zu sein und über eine entsprechende kognitive, das heißt denkerische Leistungsfähigkeit zu verfügen, ist nützlich. Aber Intelligenz ist nur die Grundlage für Erkenntnis und Wissen. Eine Art Werkzeugkasten des Gehirns. Damit man ein schlaues Köpfchen bekommt, muss man seine grauen Zellen andauernd trainieren – wie Susanne Hippauf.

Riesige Zahlenreihe bei Pi-Wettbewerb

Mit 15 637 Nachkommastellen der Zahl Pi hat die Frankfurter Polizistin Susane Hippauf im vergangenen Jahr einen deutschen Rekord aufgestellt. Jetzt will sie ihren Titel verteidigen (Archivbild). Foto: dpa

Mit genau 15 637 Nachkommastellen der Zahl Pi hat die Frankfurter Polizistin 2023 einen deutschen Rekord aufgestellt. Die riesige Zahlenreihe sagte sie bei einem Pi-Wettbewerb im niedersächsischen Emden auswendig auf. Am 15. und 16. März will die 42-Jährige ihren Titel verteidigen.

Seit Januar trainiert sie intensiv. Vorbereitet habe sie sich auf 18 000 Nachkommastellen der Kreiszahl, sagt Hippauf. Bei dem Wettbewerb wird sie versuchen, diese fehlerfrei vor Zeugen aufzusagen. Das werde bis zu dreieinhalb Stunden dauern.

Methodisch zum Pi-Memorieren

Zahlenspirale Pi im Mathematikum Gießen. Foto: Imago/epd

Das sogenannte Pi-Memorieren ist eine Gedächtnisleistung, die mit verschiedenen Methoden erreicht werden kann. Susanne Hippauf verbindet die Zahlen im Geiste mit Orten und Personen und geht beim Aufsagen eine imaginäre Route ab. Diese führt sie zu wunderschönen Plätzen auf der ganzen Welt, denn Reisen ist ein weiteres Hobby der Polizei-Hauptkommissarin.

Ihren ersten deutschen Rekord errang sie im Jahr 2018. „Ich hatte ein Buch über Gedächtnistechniken gelesen und konnte mir relativ schnell viel merken, das hat mir total Spaß gemacht“, sagt die 42-Jährige. Es sei erstaunlich, zu welcher Leistung das Gehirn fähig sei, wenn man es herausfordere. Mit Blick auf den anstehenden Wettbewerb sei sie motiviert, „noch etwas draufzusetzen“.

Nach Angaben der Organisatoren wollen am Wochenende mehrere Konkurrenten antreten. Die Veranstaltung findet jedes Jahr in Emden rund um den weltweiten Pi-Tag statt, den 14. März. Dieser bildet nach der amerikanischen Datumsschreibweise die Kreiszahl Pi mit den ersten beiden Nachkommastellen: 3-14.

Das Geheimnis der Savants

Muss man besonders intelligent sein, um wie Susanne Hippauf solche Gedächtnisleistungen zu vollbringen? In der Psychologie versteht man unter Intelligenz die kognitiven Fähigkeiten des Menschen – also das Vermögen zu verstehen, zu abstrahieren und Probleme zu lösen sowie Wissen und Sprache zu verwenden.

Hohe Intelligenz ist meist an eine abgerundete, ganzheitliche Persönlichkeit gekoppelt. Savants oder Inselbegabte haben trotz ihrer oft fantastischen Einzelbegabung meist eine durchschnittliche oder sogar schwache Intelligenz.

Savants vollbringen in einem geistigen Teilbereich außergewöhnliche Leistungen, die selbst für Wissenschaftler oft unerklärlich sind. So spielen Savants Klavierkonzerte, nachdem sie diese ein einziges Mal gehört haben. Andere errechnen für einen Zeitraum von Tausenden Jahren den Wochentag jedes beliebigen Ereignisses oder haben den Inhalt von ganzen Bibliotheken Wort für Wort gespeichert.

Loci-Methode: Vom „Normalo“ zum Gedächtnissportler

Aber auch „Normalos“ können ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen – etwa mit Hilfe der sogenannten Loci-Methode (aus dem Lateinischen: „locus“ – Ort), die auch Gedächtnissportler nutzen. Die dabei angewandte Technik nennt sich Mnemotechnik. Schon die antiken Griechen und Römer vertrauten darauf. Mit dieser Methode kann man sich beispielsweise den Weg zum Supermarkt einprägen und die zu merkenden Erinnerungen an Stellen im Straßenzug "verpacken". Nur Übung braucht es.

Und so funktionieren Loci-Methode und Mnemotechnik: Man merkt sich die zu lernenden Wörter, indem diese mit einem Ort, Gebäude oder Platz im Gedächtnis verknüpft werden. Wenn man sich an die Wörter erinnert, ist es wie eine Reise durch eine imaginäre Landschaft.

Mnemotechniken dienen dazu, Information im Langzeitgedächtnis besser zu speichern und zu behalten. Neben einfachen Eselsbrücken wie zum Beispiel Merksätze oder Reimen gibt es auch komplexere Trainingssysteme, mit deren Hilfe man sich ganze Bücher, Tausende von Wörtern oder tausendstellige Zahlen merken kann.

Verbesserte Kommunikation innerhalb des neuronalen Netzwerks

Wer sein Gedächtnis nach der Loci-Methode speziell trainiert, beeinflusst damit positiv die Kommunikation innerhalb des neuronalen Netzwerks. Je intensiver dies geschieht, desto besser wird auch die Merkfähigkeit. Mit der Loci-Methode können Menschen bis ins hohe Alter ihr Arbeitsgedächtnis trainieren.

Für ein optimales Gehirndoping muss man also nicht literweise Kaffee in sich reinschütten oder Aufputschmittel und Koffeintabletten schlucken. Es reicht die altbewährte Methode: Sitzfleisch haben und lernen, lernen, lernen. Wie sagt ein anderes, viel zitiertes Sprichwort: "Ohne Fleiß kein Preis."

Wird man durch Training zum Superhirn?

Steckt folglich in jedem von uns ein Superhirn, das man durch intensives Training hervorlocken kann? So einfach ist es auch wieder nicht. Man wird nicht schon als Denker geboren, sondern erst durch geistiges Training zu einem. Vorausgesetzt, die intellektuelle und neurophysiologische Basis ist vorhanden. Aus einem Forrest Gump (IQ von 75) macht man keinen Johann Wolfgang von Goethe.

Der deutsche Dichter soll einer Studie der US-Psychologin Catharine M. Cox („Genetic Studies of Genius“, 1926) zufolge mit einem IQ von 210 die intelligenteste Persönlichkeit aller Zeiten gewesen sein. Knapp dahinter auf Platz zwei rangiert der Philosoph und Mathematiker Gottfried Wilhelm von Leibniz mit einem IQ von 205. Physik-Genie Albert Einstein hatte „nur“ einen IQ zwischen 160 und 180 (mit dpa-Agenturmaterial).