Am Samstag beginnt im Jungen Ensemble Stuttgart die „Schöne Aussicht“. Eine Woche lang werden die interessantesten Stücke gezeigt, die Kinder- und Jugendtheater im In- und Ausland derzeit zu bieten haben.

Stuttgart - Gewöhnlich sitzt man im Theater ordnungsgemäß auf seinem Stuhl. Dabei geht es auch anders. Bei „Himmelblau“ liegen die Zuschauer gemütlich auf dem Rücken und schauen zwar nicht in den echten blauen Himmel, aber auf einen riesigen Bildschirm. Die niederländische Künstlerin Judith Hofland hat eine Kamera auf dem Kopf befestigt und ist durch Den Haag geradelt. In „Himmelblau“ werden die dabei aufgenommen Himmel- und Stadtbilder gezeigt, dazu gibt es Livemusik, wobei die Musiker spontan auf die Reaktionen der Zuschauer eingehen.

 

Mit klassischem Theater hat das freilich wenig zu tun, aber genau darum geht es bei der „Schönen Aussicht“. Am Samstag eröffnet das Junge Ensemble Stuttgart (Jes) sein Festival und wird bis zum 25. Mai ungewöhnliche und herausragende Produktionen für Kinder und Jugendliche zeigen. Dazu sind die Jes-Intendantin Brigitte Dethier und ihr Team viel gereist und haben sich Stücke angeschaut. Das Ergebnis: 43 Vorstellungen stehen bei der „Schönen Aussicht“ auf dem Spielplan, 22 Ensembles werden in Stuttgart zu Gast sein. Und eines ist sicher: alle Produktionen ermöglichen neue Blickwinkel aufs Theater, selbst wenn man nicht liegt, sondern sitzt.

Wenn die Mutter an Krebs stirbt

Das Studio Orka aus Belgien sucht sich beispielsweise immer ungewöhnliche Spielorte und wird „Jakobsneus“ in einer Waschküche auf dem Jes-Areal aufführen – ein Stück über Gerüche und damit verbundene Erinnerungen. In „Morning“, einem Gastspiel des Jungen Theater Basel geht es dagegen um eine Jugendliche, deren Mutter an Krebs stirbt. Inszeniert hat der auch im Erwachsenentheater sehr gefragte Regisseur Sebastian Nübling. „Nübling ist immer noch das Beste, was man europaweit finden kann“, sagt Dethier.

Sie war auch in Finnland auf Recherche, wurde aber enttäuscht, weil das Theater dort zwanzig Jahre zurück sei und im Kindertheater noch Zwergenkostüme getragen würden. „Ich habe nichts Gutes gesehen“, sagt Dethier, war dann aber umso überraschter über „Noir?“. In dem Tanztheater aus dem Urbanapa untersuchen vier afrikanisch-finnische Performer die Beziehungen zu den eigenen Wurzeln und schauen, wie es sich als Finne in Finnland lebt, wenn man schwarze Haut hat.

Bisher fand die „Schöne Aussicht“ immer auch in den Räumen des Schauspiels Stuttgart statt. Diese braucht der Intendant Armin Petras nun selbst, weshalb Dethier in die Rampe und das Heusteigtheater ausgewichen ist. Das hat durchaus seine Vorteile: „Jetzt sind alle Spielstätten fußnah erreichbar“, sagt Dethier.

Parallel zu den internationalen Gastspielen präsentieren sich auch wieder die Kinder- und Jugendtheater aus Baden-Württemberg. Für sie ist das Festival auch ein Arbeitstreffen, bei dem Produktionen diskutiert und Workshops besucht werden. „Das ist für die Kollegen und für uns eine Bereicherung“, sagt Dethier. Vor allem soll es diesmal auch um das Thema Kulturelle Bildung gehen. „Es fehlt eine Vision, in welcher Gesellschaft wir leben wollen“, sagt Dethier, die hofft, dass sich das durch die Gespräche ändert. Am Donnerstag, 22. Mai, diskutieren Experten über die Frage „Wer entscheidet, was wir bilden?“ Auch die Robert-Bosch-Stiftung ist an dem Thema interessiert und unterstützt das Rahmenprogramm deshalb finanziell.

Rahmenprogramm:

Eröffnung
Am Samstag um 18 Uhr ist im Jes Eröffnung, danach zeigt De Dansers „Café ed Sanders“. Ab 22 Uhr wird gefeiert.

Spiele
Am Sonntag um 20.30 Uhr gibt es einen Spieleabend im Jes mit Brettspielen.

Kofferumzug
Am Sonntag müssen einige Festivalgäste das Hotel wechseln und ziehen um 12.30 Uhr in einer Aktion über den Marienplatz.

Diskussion
Am 22. Mai um 20 Uhr wird im Jes über Kulturpolitik von morgen debattiert.

Programm
unter www.jes-stuttgart.de.