Breite Reifen, laute Motoren: Die Theodor-Heuss-Straße ist in der Tuningszene beliebt – dabei sind Tempoverstöße nicht einmal das größte Problem. Ein Freitagabend in der Polizeikontrolle.

Stuttgart - Michael Sauer macht seinen Job seit 33 Jahren. Er spürt es, wenn etwas faul ist. Zielgerichtet hebt der Einsatzleiter der Großkontrolle an der Theodor-Heuss-Straße die Kelle und winkt einen schwarzen Fünfer-BMW mit getönten Scheiben heraus. Ein kurzes Gespräch mit dem Fahrer und der 50-Jährige sagt: „Mit diesem Typen stimmt etwas nicht“.

 

Mächtige 20-Zoll-Felgen sind auf dem 70 000-Euro teuren Fahrzeug montiert. Eine Genehmigung für die Schlappen hat der 21-jährige Fahrer nicht. Wie sich herausstellt, gehört ihm das Auto auch gar nicht. Den Besitzer will er nicht nennen, geschweige denn anrufen. Michael Sauer bittet die Insassen auszusteigen. Heraus kommen vier Jungs um die 20, alle in Jogginghosen.

Sie kommen immer nachts

In den warmen Monaten von März bis Oktober führt die Verkehrspolizei Stuttgart diese Kontrollen jedes Wochenende durch. „Die Theodor-Heuss-Straße ist in den vergangenen Jahren zur Bühne für die Show-Fahrer-Szene geworden“, sagt Michael Sauer. Kaum wird es Nacht, holen junge Leute zwischen 18 und 25 Jahren ihre aufgemotzten Karossen aus den Garagen und drehen ihre Runden auf dem Boulevard. Nicht jedoch friedlich. Das Motto lautet „Auffallen um jeden Preis“. Starts mit quietschenden Reifen, riskante Wendemanöver, Rennen, hochdrehende Motoren, laute Musik, Gegröle. „Es nimmt überhand. Dagegen müssen wir etwas tun“, sagt Sauer.

An diesem Freitagabend liegt der Schwerpunkt der Kontrolle auf den technischen Veränderungen an den Fahrzeugen – das Hauptproblem. Zwölf Beamten sind im Einsatz. Zwei in zivil, die mit einem Videofahrzeug Geschwindigkeitsverstöße ausmachen. Und vier Männer auf Motorrädern, die junge Raser und Show-Fahrer in den Kontrollpunkt am Fahrbahnrand vor dem Fußgängersteg zum Filmpalast in die Arme der Beamten lotsen.

Trinken, grölen, rufen

Inzwischen hat sich eine Traube von Schaulustigen um die Polizisten versammelt. Immer wieder müssen die jungen Menschen zurückgehalten werden. Auf dem Steg über die B 27 stehen weitere Zuschauer, trinken, grölen, rufen Beleidigungen, genießen das Spektakel. „Die sind auch da, wenn keine Kontrolle ist“, sagt Einsatzleiter Sauer. Heute wird es ihm aber zu bunt. Er greift sein Funkgerät, das an seinem Gürtel befestigt ist, und fordert Verstärkung an – einmal aufräumen bitte.

Jetzt hat der erste Polizeihauptkommissar zwei Motorräder im Blick, die sich dem Kontrollpunkt nähern. Er hebt die Kelle, die Fahrer reagieren nicht, wollen abhauen. Sauer springt auf die Straße hebt den Arm und schreit ein ohrenbetäubendes „Halt“ heraus. Das sitzt. Die zwei Männer fahren rechts ran, nehmen geknickt die Helme ab. Sie sind 19 und 21 Jahre alt. An einer Maschine fehlt das Rücklicht. Beim anderen Fahrer ist der Tüv abgelaufen. „Scheiße gelaufen“, sagt der 19-Jährige nur, zahlt die 15 Euro Strafe und fährt davon. Michael Sauer schüttelt nur resigniert den Kopf. „Das missionieren habe ich schon lange aufgegeben“.

Tempoverstöße sind nicht das größte Problem

Rund 50 Fahrzeuge kontrollieren die Beamten an diesem Abend. Bei dem Aufkommen könnten es noch viel mehr sein. Wer an der Kontrolle ungehindert vorbeikommt, ist aber nicht etwa erleichtert – es werden Beleidigungen durch die offenen Fenster gerufen oder mit aufheulenden Motoren vorbeigefahren.

Entgegen der Annahmen vieler, sind Tempoverstöße aber gar nicht das Problem. Die Geschwindigkeit ist laut Sauer durch die Ampelschaltung ohnehin gedrosselt. „Ein Blitzer würde die Situation an der Theodor-Heuss-Straße also nicht eindämmen“, sagt er. „Den Fahrern geht es nicht um die Geschwindigkeit, sondern darum, aufzufallen. Und da müssen wir den Finger drauf halten“, ergänzt sein Kollege Thomas Tietz. Auch die Zahl schwerer Unfälle halte sich in Grenzen. Das hat laut Sauer zwei Gründe: Zum einen seien die Geschwindigkeiten nicht so hoch, dass bei einem Zusammenstoß wirklich viel passiere. Zum anderen werden viele Unfälle wahrscheinlich gar nicht aufgenommen. „Wer ein illegal getuntes Auto fährt, ruft selten die Polizei“, sagt Michael Sauer.

Der 21 Jahre alte Fahrer des BMW steht inzwischen mit seinen drei Kumpels etwas abseits und beobachtet, wie das Auto, das ihm gar nicht gehört, beschlagnahmt und abgeschleppt wird. Ängstlich wirkt er nicht. Dann rollt ein teurer, weißer Mercedes heran. Die vier Jungs in Jogginghosen fahren damit weg.