Der Ex-Nationalspieler äußert im ZDF-Talk Verständnis für die Proteste gegen den Einstieg von Investoren in der DFL. Außerdem spricht er über sein Coming-out.

Der Regen von Goldtalern und Tennisbällen bei vielen Spielen der Bundesliga – am Wochenende sind sieben von neun Spielen unterbrochen worden – nervt die Zuschauer und Spieler. Im ZDF-Talk mit Markus Lanz am Mittwochabend traten mit der Sportjournalistin Lena Cassel und dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des VfB Stuttgart Thomas Hitzlsperger aber zwei Gäste auf, die ein gewisses Verständnis für die Anliegen der Protestierenden äußerten. Lena Cassel schilderte nochmals die Situation: Die zwei geheimen Abstimmungen der Deutschen Fußball Liga (DFL), die 36 Clubs der ersten und zweiten Liga vertreten und die mit äußerst knapper Mehrheit den Weg frei machten für den Einstieg von Investoren beim DFL. Sie sollen über eine Gewinnbeteiligung am Verkauf von TV- und Medienrechten binnen 20 Jahren eine Milliarde Euro bringen und eine Rendite von bis zu acht Prozent einfahren.

 

Geheime Abstimmungen seien ja auch demokratisch, so Lena Cassel, aber es gebe den „berechtigten Verdacht“, dass der Geschäftsführer von Hannover 96 , Martin Kind, sich bei der Abstimmung dem Willen des Vereins widersetzt und mit „Ja“ gestimmt habe. So etwas wäre an Vertrauensverlust nicht zu überbieten.

Lanz lacht über Protestaktion

Ein Transparent mit Martin Kind „im Fadenkreuz“ im Stadion sei allerdings „geschmacklos“, so Cassel. Offenbar witzig aber war eine Protestform, bei der Fans vor einem Spiel des HSV gegen Hannover 96 ein Kettenschloss am Tor angebracht hatten, das mit einer Flexmaschine aufgeschnitten werden musste. Als die Szene per Video eingespielt wurde, konnte sich Moderator Markus Lanz nicht mehr halten vor Lachen, denn der Zahlencode war auf der Tribüne auf einem Transparent zu sehen: „50+01“,so lautet die Zauberformel, die die Macht von Investoren begrenzt und den Vereinen ein klares Weisungsrecht gegenüber ihren Geschäftsführern gibt.

Kritischer Blick nach England

Laut Lena Cassel sei in Deutschland der Fußball eng mit dem Vereinsleben verbunden, die Leute wollten „kein Unternehmen, kein Businessmodell“. Künftig bestehe die Gefahr, dass der Fußball beschädigt wird. Sehr viel deutlicher wurde der Ex-Fußballer Hitzlsperger und verwies auf England, wo Investoren das große Sagen haben: Das könne ja gut gehen, wie beim FC Liverpool, wo man Geld und Erfolg habe. Auch als die Saudis bei Newcastle eingestiegen seien, habe sich die verarmte Stadt gefreut und die Leute hätten gefeiert. „Wenn man aber an den falschen Investor gelangt, dann kann auch ein hundert Jahre alter Verein den Bach runtergehen. Und zwar dann, wenn der Investor keine Verantwortung für den Verein oder die Stadt spürt.“

So etwas sei gerade beim Reading FC zu beobachten, dort ist die Rede davon, dass ein chinesischer Investor das Interesse am Club verliert und „ihn an die Wand“ fährt. Kürzlich stürmten Reading-FC-Fans aus Protest das Spielfeld.

Blackstone verliert Interesse

Hitzlsperger warf den deutschen Clubs mangelnde Kommunikation gegenüber den Mitgliedern vor und er fragte kritisch, warum keiner der 36 Clubs nach den Abstimmungen einen Einspruch eingelegt habe. Was die aktuellen Proteste anbelangt, so Hitzlsperger: „Damit muss der DFL jetzt umgehen. Keiner will Spielabbrüche.“ Und Lena Cassel bemerkte zur Absage des möglichen Investors Blackstone, dass die Proteste schon Wirkung erzielt hätten.

Die Kritik von Bayern-München-Geschäftsführer Jan-Christian Dreesen, dass es der Ultra-Szene mit ihrem Protest vor allem um eine Machtdemonstration gehe, wies Cassel zurück. Dreesen beschreibe die Ultras als selbstgefällige Gruppe, die er „unter den Teppich kehren will“, aber er brauche die authentische und tolle Stimmung dieser Fans auch, wenn es um die Vermarktung seines Clubs gehe. „Das ist eine Doppelmoral.“

Aber ob nicht vielleicht mehr Geld durch Investoren auch besseren Fußball bringe, fragte Markus Lanz schließlich. Thomas Hitzlsperger verwies immerhin auf die zwei „reinen Vereine“ SC Freiburg und Union Berlin, die zwar Sponsoren, aber gar keine Investoren hätten. Anders als bei RB Leipzig, Wolfsburg, Bayer Leverkusen und den anderen. Es gebe schon so eine „Sehnsucht“ nach der Vereinsstruktur. Der Einstieg eines Investoren bei der DFL wird nach Ansicht von Lena Cassel auf jeden Fall das Ungleichgewicht in der Liga vergrößern. Da werde ein Bayern München vielleicht 100 Millionen Euro mehr erhalten, aber was sei denn mit kleinen Clubs wie Osnabrück oder Wiesbaden? „Ich sehe da den nationalen Wettbewerb gefährdet.“

Schwulenabneigung in der Kabine

Zur Hälfte der Sendung wechselte Lanz das Thema, er befragte Thomas Hitzlsperger nach seinem Coming-out als Homosexueller vor zehn Jahren – er war damals kein aktiver Fußballer mehr. Es hätte sicher eine größere Strahlkraft gehabt, so Hitzlsperger, wenn er den Schritt schon als Aktiver gewagt hätte, und er hatte dies auch vorgehabt und bereits ein Interview mit der „Zeit“ verabredet. Aber sein Medienanwalt habe ihm dringend davon abgeraten und im Nachhinein habe der Recht gehabt: „Wäre ich den Schritt früher gegangen, hätte ich Schaden nehmen können.“

Es sei schon so gewesen, dass es in der Kabine manchmal „üble Kommentare“ zum Thema Homosexualität gegeben habe. Bei einem Schwulen im Team, so habe es einmal geheißen, werde man sich weigern, sich mit dem in einem Raum umzuziehen.

„Toxische Männlichkeit“ im Fußball?

Als Ex-Fußballer sei das Coming-out aber in Ordnung gewesen, er habe ja weiterhin im Fußball gearbeitet und keinerlei Probleme gehabt, Ängste seien unberechtigt gewesen. Spekuliert wurde dann über die Frage, warum sich kein einziger aktiver Fußballer in Deutschland als schwul geoutet hat – auch bei Handballern ist keiner bekannt – während Homosexualität im Frauenfußball aber eine akzeptierte Sache ist. Männerfußball werde mit „dreckig und hart“ verbunden, da gebe es eine „toxische Männlichkeit“, so Lena Cassel, homosexuelle Männer werden aber mit „soft“ assoziiert. Beim Frauenfußball sei das genau umgekehrt, da verbinde man mit den Spielerinnen eine gewisse Männlichkeit, Kurzhaarfrisur und Burschikosität – und das werde auch Lesben zugeschrieben.

Lena Cassel forderte, dass die Vereine einen Schutzraum für homosexuelle Spieler schaffen müssten. Das sei doch eine konkrete Frage, ob schwule Spieler nach Katar ins Trainingslager fahren könnten. Oder zur WM nach Saudi-Arabien im Jahr 2034, wo auf Homosexualität die Todesstrafe stehe, wie Markus Lanz bemerkte. Der Moderator nannte den 17. Mai übrigens als Datum, an dem eine Gruppe von schwulen Fußballern um Marcus Urban ein größeres Coming-out plant. Man wird gespannt sein dürfen, ob einer der rund 800 aktiven Profifußballer in Deutschland dabei sein wird.