Ditzingen ist zwar nicht Venedig, doch auch in der Strohgäu-Kommune gibt es inzwischen so viele Stadttauben, dass die Räte die Plage eindämmen wollen. Ideen, wie das geschehen soll, gibt es genug.

Ditzingen - Ditzingen ist nicht Venedig. So groß ist die Taubenplage nicht, dass sich die Große Kreisstadt mit dem italienischen Reiseziel messen müsste. Doch wie in vielen Orten gibt es auch in der Strohgäu-Kommune inzwischen so viele Stadttauben, dass die Räte die Plage eindämmen wollen. Denn der Taubenkot zerstört vor allem am westlichen Ortsrand Photovoltaikanlagen und Zisternen, und die Tiere haben keinen Grund, eine andere Heimat zu suchen: Sie finden in Dachbegrünungen genügend Futter.

 

Ideen, um den Tauben Herr zu werden, gibt es genug. Die Verwaltung verwies vorige Woche im Finanzausschuss auf einen anderthalb Jahre alten Beschluss, den Bau eines Taubenturms zu planen. Der Plan liegt inzwischen vor, die Kosten belaufen sich auf 70 000 Euro. Doch das ist einigen Stadträten offenbar zu viel. Die Ausschussmitglieder diskutierten deshalb über eine andere Idee: Statt die Taubeneier im Turm gegen Gipseier auszutauschen, soll ein Greifvogel die Tauben jagen. Auch Firmen setzten auf diese Form der Jagd. „Ich kenne keine Stadt, die die Probleme über Falken löst“, hielt der Oberbürgermeister Michael Makurath dem entgegen. „Die 70 000 Euro tun mir auch weh. Aber es gibt keine vernünftige Alternative.“

Der Gemeinderat soll diesen Abend entscheiden. Die Zeit drängt. „Die Tauben vermehren sich schneller als Falken sie fressen können“, sagt Makurath. Eine Taube brütet im Jahr rund 22 Eier aus, allein in einem Taubenschlag in der Ortsmitte wurden zuletzt 50 Tauben gezählt. Auch dort werden die Eier ausgetauscht.

Einige Ausschussmitglieder haben indes Gefallen an der Etablierung eines Falken gefunden. Mehr noch: mit der Ansiedlung gar einer Falknerei könne man sich den Turm sparen – und hätte noch etwas für die touristische Attraktivität der Stadt getan. Zumal es, wie Dieter Schnabel (UB) prognostizierte, angesichts der Plage sicher nicht bei dem einen Turm bleiben werde. Man sollte deshalb lieber „einmal in etwas Sinnvolles investieren“, polterte er. Auch Sven Sautter (CDU) zog die „Etablierung natürlicher Feinde“ dem „Bau von Wohlfühloasen für Tauben“ vor. Wolfgang Gommel (CDU) verwies darauf, dass man hier Luxusgebäude für Tauben errichten wolle, während man andererseits über das menschenwürdige Wohnen von Kriegsflüchtlingen diskutiere.

So emotional die Räte diskutierten, so wissenschaftlich nüchtern betrachtet Daniel Schmidt-Rothmund das tierische Problem. „Es kann gelingen, einen Wanderfalken anzusiedeln“, sagt der Leiter des Vogelschutzzentrums in Mössingen (Kreis Tübingen) vorsichtig. Doch in einem Neubaugebiet gebe es keine Möglichkeit, Nistkästen für die Tauben jagende Falkenart anzubringen: keine Autobahnbrücken, keine hohen Schuppen, auch keine Starkstromleitung.

Vom Einsatz eines Falkners hält er nichts: „Ein versierter Falkner wird es ablehnen, mit einem Wanderfalken in der Stadt zu jagen“ – vor allem, weil das Jagdgesetz die Jagd im besiedelten Gebiet verbiete. Schmidt-Rothmund verhehlt allerdings nicht, dass ausgebildete Falken eingesetzt werden, um Tauben zu vergrämen. Sowohl Trumpf in Ditzingen als auch der Flughafen Stuttgart bestätigen, diese Möglichkeit bis vor einigen Jahren genutzt zu haben. In der Versandhalle des Maschinenbauers war ein speziell auf Industriehallen trainierter Wüstenfalke im Einsatz, am Flughafen vertrieb ein Greifvogel eine Zeit lang Tauben aus den Parkhäusern.

Der Ornithologe Schmidt-Rothmund setzt stattdessen auf ein Maßnahmenpaket. Die Architekten dürften den Tauben keinen Unterschlupf an Häusern bieten, die Bürger die Tauben nicht füttern. Und Schlupflöcher an Industriehallen, also etwa Lüftungsrohre, müssten „penibel dichtgemacht“ sein. Denn „Tauben sind unglaublich raffiniert.“

Derweil hat der Ditzinger Oberbürgermeister die Räte darum gebeten, in der Gemeinderatssitzung am Abend nicht nochmals so ausführlich zu diskutieren. Der Rat wird die Ausgaben für den Turmbau genehmigen – oder auch nicht. Die Entscheidung im Fachausschuss war knapp gewesen: Mit acht zu sechs Stimmen erhielt der Verwaltungsantrag eine Mehrheit.