Die Tierkörperwelten-Ausstellung in Ludwigsburg wird von den Besuchern fast überschwänglich gelobt, aber es kommen bislang viel zu wenige. Die Veranstalter hoffen nun auf die Ferienzeit.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Das Urteil im Gästebuch ist eindeutig. „Super war es“, steht da, oder einfach nur „Wow“, „Inspirierend“, „Faszinierend“. Und auch offensichtlich jüngere Besucher zeigen sich beeindruckt: „Voll die coole Ausstellung!“ Kritik findet sich nahezu nicht, und wenn doch, dann wird beklagt, dass man die „tollen Exponate nicht fotografieren darf“. Es scheint, als hätten die Macher der Tierkörperwelten-Schau in der Ludwigsburger Arena vieles richtig gemacht. Das Problem ist: bislang haben das wenige Menschen mitbekommen, die Besucherzahlen sind mau. Oder wie es Daniel Niedrich von der zuständigen Veranstaltungsagentur Eventstifter ausdrückt: „Es ist langsam angelaufen.“ Jetzt aber spüre man, dass die Nachfrage steige.

 

Samstagnachmittag, das Wetter ist mäßig und reicht nicht fürs Freibad, beste Bedingungen für eine Ausstellung also. Vor dem Eingang zur Arena sind trotzdem keine Schlangen zu sehen, und die Crêpeverkäuferin auf dem Vorplatz hat so wenig zu tun, dass sie es sich auf einem Hocker gemütlich machen kann. Der mäßige Andrang hat allerdings auch sein Gutes. Im Innern, vor den plastinierten Bären, Giraffen, Pferden, den Vitrinen, Tafeln oder Bildschirmen, herrscht ebenfalls kein Gedränge.

Die Schau ist umstritten – die Besucher stört das nicht

Wer gekommen ist, bereut es nicht, auch nicht, wenn er insgesamt sechs Stunden Fahrt auf sich nehmen muss. Mario Harmel ist mit seiner elfjährigen Nichte Pauline extra aus Erfurt angereist, und auch er wird später einen begeisterten Gästebucheintrag hinterlassen. Die Ausstellung sei „einfach rundum gelungen“, sagt er, während er gebannt auf Samba starrt. Der Elefant, der einst im Neunkircher Zoo im Saarland lebte, ist der Star der Tierkörperwelten. Zu sehen, wie das „da innen drin aussieht“, sei „total spannend“, erzählt Pauline.

Unumstritten waren die Körperwelten nie, das gilt für die ältere menschliche Variante ebenso wie für die neuere tierische. Kritiker werfen den Machern um den bekannten Plastinator Gunther von Hagens und die Kuratorin Angelina Whalley vor, mit den Ausstellungen nur die Sensationslust der Besucher zu befriedigen. Kirchenvertreter kritisierten unlängst, dass die Zurschaustellung von Leichen die Totenruhe störe. In Ludwigsburg dominierte zuletzt eine andere Sichtweise, die für den Erfolg der Ausstellung noch gefährlicher sein kann. „Braucht es das wirklich noch?“, fragten manche, als die Tierkörperwelten Mitte Juni eröffneten. Man habe doch erst vor zwei Jahren die reguläre Körperwelten-Schau in der Stadt gehabt, das sei genug.

Die Besucher stellen sich diese Frage nicht – beziehungsweise: sie haben sie für sich beantwortet. „Die Körperwelten waren interessant, und mit den Tierkörperwelten bekommt man noch mal einen ganz anderen Einblick“, sagt Falko Markmann aus Stuttgart. Sein Sohn Timo studiert gerade gebannt die Muskeln eines Bären und murmelt: „So habe ich mir das nicht vorgestellt.“

Die Veranstalter haben mit 65 000 Besuchern kalkuliert

Nebenan gruppieren sich sechs junge Belgier, Pharmazie- und Biologiestudenten aus Antwerpen, um eine Vitrine mit plastinierten Lungen. Die Ausstellung vermittle einen nie gesehenen „Eindruck der Realität“, erzählt Jonas Verspeek, und seine Kommilitonin Elien Romaen kann nichts Schockierendes an den Exponaten finden. Die seien doch schön, findet sie. Beautiful. „Das arme Fohlen“, ruft ein paar Meter weiter ein kleines Mädchen, das das tote Tier wohl am liebsten streicheln würde. Der Gruselfaktor? Gerade bei Kindern scheint er gegen null zu tendieren.

Mit 65 000 Besuchern hatte die Agentur im Vorfeld kalkuliert. „Das wird eng“, sagt Niedrich, und es dauert lange, bis er Zahlen rausrückt. Knapp sieben Wochen vor dem Ende verzeichnet die Ausstellung 25 000 Besucher. Zum Vergleich: zur regulären Körperwelten-Ausstellung vor zwei Jahren strömten annähernd 200 000 Gäste in die Halle. „Die Fußball-Weltmeisterschaft, die Hitzephase – das hat es uns diesmal schwergemacht“, sagt Niedrich. Ausstellungen in den Sommermonaten seien eben immer schwierig, und in der Ludwigsburger Arena sei wegen der Basketball-Bundesliga eben kein anderer Zeitraum möglich. „Das ist halt so, das kann man nicht ändern.“

Die Stadt will nicht über die schlechten Zahlen sprechen

Auch für die Stadt als Eigentümerin der Halle ist die Besucherzahl wichtig, denn sie ist zu einem nicht genannten Prozentsatz an den Einnahmen beteiligt. Dennoch will Esther Kölmel, die für die Stadt die Bereiche Marketing und Vertrieb der mhp-Arena leitet, die Zahlen nicht kommentieren.

Daniel Niedrich hofft nun auf die Ferienzeit. In den kommenden Wochen falle zwar der Besuch von Schulklassen weg, dafür würden normalerweise – und je nach Wetter – mehr Familien in die Ausstellung strömen. Außerdem seien noch einige Sonderaktionen in Vorbereitung, etwa ein Tag für Sehbehinderte, ein Kooperationsprojekt mit der Kunstschule und Lernerlebnistage. „Es wird noch einiges passieren“, versichert Niedrich.

Nur einen Wunsch werden die Veranstalter nicht erfüllen können. Die Tierkörperwelten-Ausstellung sei ja wirklich toll, hat ein junger Gast mit krakliger Handschrift ins Gästebuch geschrieben, „aber die Dinosaurier fehlen“.