Herbstzeit ist Pilzzeit – eigentlich. Obwohl diese Saison beinahe einem Totalausfall gleicht, entdecken immer mehr Menschen das Sammeln von Pfifferlingen und Co. für sich. Auf Sporensuche im Wald.

Kultur: Kathrin Waldow (kaw)

Stuttgart - Wer beim Thema Herbst nicht an Trübsal auf dem Sofa, sondern an herzhafte Pilzgerichte aus dem Wald denkt, der ist nicht nur ein Feinschmecker, sondern wohl auch ein Pilzsammler. Das Rascheln der Blätter im Ohr, den bunten Wald vor Augen, den Geruch der Pilze in der Nase: dem Sammler geht das Herz auf, wenn er fündig wird.

 

Doch in diesem Herbst ist alles anders. Kein Pilzgeruch im Wald, kein Pilzglück. „In manchen Regionen war das Pilzjahr 2015 ein Totalausfall“, sagt Anja Schneider vom Verein der Pilzfreunde Stuttgart. Dort kennt man sich seit 1918 mit Pilzen aus. „Es war zu lange zu trocken, da sprießt fast nichts“, so die Expertin. Vor allem rund um Stuttgart sehe es diesen Herbst besonders schlecht aus. Ihr Geheimtipp ist der Nordschwarzwald: „Da gibt es jetzt vereinzelt Pilze. Wenn es im November warm bleibt, könnte allerdings auch bei uns noch etwas nachkommen“, sagt die 38-Jährige mit hoffnungsvollem Blick in den Spätherbst.

Auf der Suche nach dem neuen Ökobewusstsein

Wie es um die Pilzsaison steht und welche Pilze man im Körbchen, Pardon, im Jutetäschchen sammeln darf, interessiert mittlerweile wieder mehr Menschen. Das Sammeln von Pilzen ist längst nicht mehr nur ein Freizeitvergnügen für Rentner, sondern der Renner unter jungen Erwachsenen. Die schlendern mittlerweile auf der Suche nach dem neuen Ökobewusstsein durch die Wälder. Da reiht sich das Suchen von Steinpilzen, Pfifferlingen, Maronen, Parasolpilzen und Co. in die hippen Hobbys aus Großmutters Zeiten ein wie Imkern, Kochen oder Einmachen.

Doch woher haben die jungen Leute ihr Wissen über die etwas anderen Bodenschätze? Im Wald sieht man entweder den alten Profi ab 50, der mit Korb, Taschenmesser und eventuell einem Pinsel auf die Pirsch geht. Oder den jungen Sammler, der mit einer Jutetasche bewaffnet Ausschau hält. Generationenübergreifendes Pilzsammeln? Fehlanzeige. Wir fragen nach bei der Expertin Schneider. Besteht ihr Verein seit kurzem aus Hipstern?

Immer mehr junge Menschen sammeln Pilze

„Wir haben seit einiger Zeit mehr junge Mitglieder. Die Tendenz, dass sich Leute ab 30 wieder für das Pilzsammeln interessieren, merken wir ganz deutlich. Viele erinnern sich 20 Jahre später an ihre Kindheit, in der sie mit den Eltern oder Großeltern in die Pilze gingen, und wollen das jetzt wieder aufleben lassen“, erklärt Anja Schneider.

In die Pilzausstellung des Vereins im Haus des Waldes in Degerloch kamen kürzlich nicht nur fachkundige Pilzexperten der älteren Semester, sondern auch junge Pilzinteressierte, die viele Fragen zum Pilzsammeln stellten. Gut, dass der Verein für Pilzfreunde Stuttgart die teilweise lebenswichtigen Informationen und Tipps in Seminaren und offenen Abenden anbietet.

Der Verein warnt vor Pilzvergiftungen

Wie wichtig es ist, Pilze eindeutig bestimmen zu können, wird jedes Jahr aufs Neue deutlich, wenn es zu Pilzvergiftungen kommt. Dieses Jahr starb bereits ein junger Flüchtling, weil er den giftigen Knollenblätterpilz aß, den er mit dem essbaren Wiesenchampignon verwechselte. „Auf keinen Fall sollte man Pilze essen, die man nicht eindeutig bestimmt hat“, rät Schneider. Was einem in heimischen Gefilden vielleicht bekannt vorkommt, kann in anderen Regionen zu giftigen bis tödlichen Verwechslungen führen. Soviel Glück man beim Finden der Pilze auch braucht: Beim Verzehr sollte man dem Verstand immer den Vortritt lassen.