Das TV-Duell der US-Präsidentschaftskandidaten folgte dem Prinzip Politik als Showbusiness. Das dramaturgische Ende einer solchen Erzählung ist eine Show, die für rein gar nichts mehr steht.

Psychologie und Partnerschaft: Eva-Maria Manz (ema)

Stuttgart - Wenn in zwei Wochen die Kontrahenten Trump und Biden zum zweiten Mal aufeinander treffen, wird dem Moderator Steve Scully die undankbare Aufgabe zufallen, die Streitlust der Männer zu bändigen. Scully, der für das Fernsehnetzwerk C-SPAN arbeitet, gilt immerhin als der „geduldigste Mann des Fernsehens“, weil er, wie die „Washington Post“ schreibt, mit einer „fast unnatürlich wirkenden Ruhe“ in Interviews beharrlich und objektiv nachbohre.

 

Diese Ruhe könnte den hitzigen Gesprächspartnern Donald Trump und Joe Biden gut tun, wenn in Miami, Florida, bei der nächsten TV-Debatte der Präsidentschaftskandidaten am 16. Oktober erneut versucht wird, zumindest eine Gesprächsbasis zu finden. „Ich bezweifle, dass irgendein Moderator diese Debatte hätte kontrollieren können“, sagte ein CNN-Kommentator nach der Übertragung.

Medienwissenschaftler Pörksen fürchtet „Kommunikationsinfarkt“

Beim nächsten Treffen sollen die Kandidaten nicht hinter einem Pult stehen, sondern mit einem Mikrofon frei durch den Raum gehen können, und schon jetzt scherzen Internetnutzer, ob es dann wohl zu Handgreiflichkeiten komme. Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen, der erst kürzlich ein Buch mit dem Titel „Die Kunst des Miteinander-Redens – Über den Dialog in Gesellschaft und Politik“ veröffentlicht hat, stellt mit Blick auf das Fernsehduell fest: „Alles, was zu einem Minimum an Gesprächskultur gehört – Faktenorientierung, Fairness, inhaltliche Substanz, die Trennung von Person und Position, die Bereitschaft zuzuhören, das Ringen um das bessere Argument – fehlte weitestgehend.“ Pörksen sieht den Schlagabtausch als „Symptom eines drohenden Kommunikationsinfarktes in einer hochgradig polarisierten Gesellschaft“.

Das Duell der Kontrahenten, das inhaltlich nichts Neues erbrachte, war weniger Gespräch als viel eher absurdes Theater – etwa, als Trump mit dem Finger auf Biden zeigte und rief: „Der und seine Freunde haben das erfunden.“ Und Biden kopfschüttelnd erwiderte: „Das habe ich nie gesagt.“ So entwickelte sich eine rhetorisch sinnlose Dynamik, die den Anschein erweckte, Vorschüler spielten in Schlips und Anzug Staatsmänner.

Fernsehduelle haben als große Show inszeniert in US-Wahlkämpfen eine lange Tradition

Bernhard Pörksen sieht in der Begegnung beider Kandidaten „gar kein Duell“. Denn ein solches setze eine gewisse Symmetrie und Vergleichbarkeit voraus. Während Trump offen lüge, halte Biden am Realitäts- und Rationalitätsprinzip fest. Was man gesehen habe, sei also nicht mehr als „eine kurze, von den Lichtern der Kameras erzwungene Berührung von zwei Paralleluniversen“.

Die Fernsehduelle, die als große Show inszeniert in US-Wahlkämpfen eine lange Tradition haben, gelten in diesem Jahr als eines der wenigen Ereignisse, die den Anschein eines normalen Wahlkampfes erwecken sollen – in Zeiten, in denen das sonst wegen der Corona-Pandemie nicht möglich ist. Der Eindruck, der nach dieser TV-Debatte bei vielen Kommentatoren und Internetnutzern bleibt, ist jedoch der einer tiefen Verstörung. Trump trat nicht in der Rolle des demokratischen Führers der freien Welt auf, eher wie ein tobsüchtiger Monarch von shakespearehafter Ausprägung.

Das Prinzip des offenen Streitgesprächs wird auf diese Weise ad absurdum geführt. Wer die Darbietung – was manche Medien jetzt bereits tun – eher als Theaterinszenierung begreift, erkennt darin die konsequente Fortführung des Prinzips Politik als Showbusiness. Das dramaturgische Ende dieser Erzählung wäre eine Show, die für nichts mehr stünde. Nur für sich selbst.