Als erster ehemaliger Präsident in der Geschichte der USA muss sich Donald Trump vor einem Strafgericht verantworten. Der Angeklagte plädierte bei Vorführung vor dem Richter in New York in 34 Anklagepunkten auf „nicht schuldig“.

Der historische Arrest erfolgt fast eine Stunde vor der Zeit. Geschützt von Dutzenden Beamten des „Secret Service“ kletterte Donald Trump um 13.23 Uhr Ortszeit aus einem schwarzen SUV. Für einen kurzen Moment konnten Millionen TV-Zuschauer weltweit live und in Naheinstellung einen Blick auf den 45. US-Präsidenten werfen, der als erster ehemaliger Amtsinhaber als Angeklagter vor Gericht erscheinen muss. Mit ernst-grimmiger Miene streckt Trump kämpferisch eine Faust in den Himmel, winkt einmal kurz und verschwindet dann im imposanten Gerichtspalast an der 100 Centre Street.

 

Kurz danach vermelden die Moderatoren auf den Fernsehkanälen, dass sich der ehemalige Präsident der Justiz gestellt habe. Der Secret Service hatte alle Eingänge rund um das „Manhattan Criminal Courts Building“ gesichert. Sämtliche anderen Verfahren und öffentlichen Termine im Strafgericht wurden abgesagt. Auf Drängen des Chefanklägers Alvin Bragg sperrte das Gericht die 15. Etage weitgehend ab, um ein Medienspektakel rund um die Prozeduren der Vorführung des Angeklagten sowie der erkennungsdienstlichen Behandlung zu vermeiden.

Richter lässt keinen Medienzirkus zu

Richter Juan Merchan lehnte einen Antrag der Medien ab, aus dem Gerichtssaal live berichten zu dürfen. „Leider müssen die Interessen der Nachrichtenorganisationen gegen konkurrierende Interessen abgewogen werden“, erläuterte der für seine stramme Prozessführung bekannte Richter seine Entscheidung. Die Öffentlichkeit erfuhr deshalb nur mit Verzögerung Details der historischen Ereignisse des ersten Erscheinens eines ehemaligen US-Präsidenten vor einem Strafgericht.

Zunächst veröffentlichten die Medien Bilder aus dem Gerichtssaal, die einen ernst blickenden Angeklagten zeigen, der von seinen Anwälten flankiert wird. Dann drangen Bruchstücke der Anklage nach draußen. Demnach sieht sich sich Trump in 34 Punkten dem Vorwurf ausgesetzt, Verbrechen rund um Schweigegeldzahlungen auf der Zielgeraden im Wahlkampf ausgesetzt. Dazu gehören unter anderen die Fälschung von Geschäftsunterlagen sowie Verschwörung. Weitere Einzelheiten wollte Chefankläger Bragg später vor der Presse erläutern. Trump erklärte sich in allen Anklagepunkten für „nicht schuldig“. Der Ex-Präsident hatte zuvor angekündigt, er werde gleich im Anschluss an die Anklageverlesung nach Florida zurückreisen und sich gegen 20 Uhr Ortszeit bei einer Fernsehansprache zu Wort melden.

Rassistische und antisemitische Beleidigungen im Vorfeld

Der Secret Service hatte in enger Abstimmung mit örtlichen Sicherheitskräften dafür gesorgt, dass die Karawane an schwarzen SUVs ohne Störungen die vier Meilen vom „Trump-Tower“ zum Gericht im Süden Manhattans zurücklegen konnte. Richter Merchan gab zu erkennen, dass er auch in Zukunft keinen Zirkus dulden wird. Trump hatte dem als Kind aus Kolumbien eingewanderten Richter vorgehalten, ihn zu hassen. Der Grund? Merchan hatte Trumps Holding wegen Steuerbetrugs zur Höchststrafe von 1,6 Millionen Dollar verurteilt und seinen ehemaligen Finanzchef Allen Weisselberg in einem separaten Verfahren zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt.

Es blieb zunächst unklar, ob der Richter Auflagen erlassen hat, die es Trump verbieten würden, sich zu dem Verfahren öffentlich zu äußern. Der Ex-Präsident hatte nach der Anklage vom Donnerstag den Chefankläger mit rassistischen und antisemitischen Ausdrücken beleidigt. Unter anderen nannte er den schwarzen District Attorney als vom jüdischen Milliardär George Soros Hand verlesenes „Tier“ und „Monster“.

Trump ruft zu Spenden auf

Am Morgen hatte Trump seine Anhänger noch einmal aufgerufen, ihm Geld zu spenden. „Bevor ich für die nächsten paar Stunden nicht verfügbar sein werde, möchte ich Euch jetzt DANKE sagen für Eure Unterstützung“, erklärte er in einer Massenmail. „Wenn ihr etwas geben könnt, dann leistet bitte einen friedlichen Beitrag zur RETTUNG AMERIKAS“. Sein Wahlkampfteam behauptet, seit Ankündigung der Festnahme seien bereits sieben Millionen Dollar als Spenden eingegangen.

Unterstützer und Gegner des Ex-Präsidenten standen sich hinter Barrikaden gegenüber. Der Polizei gelang es, die Demonstranten auseinanderzuhalten. New York hatte am Dienstag alle 35 000 Beamten der Stadt in Alarmbereitschaft versetzt, um für jeden Fall vorbereitet zu sein. Lediglich als die rechtsradikale Abgeordnete Marjorie Taylor Greene im Collect Pond Park unweit des Manhattan Criminal Court Buildings auftauchte und Demokraten als „Kommunisten“ und „Versager“ denunzierte, kam es zu einem Handgemenge. „Geh zurück nach Georgia“ schallte der Republikanerin entgegen, während Trump-Fans „U.S.A.! U.S.A!“ skandierten.

Demonstranten bleiben überwiegend friedlich

Für einen verbalen Schlagabtausch sorgte das Auftauchen des New Yorker Republikaners George Santos, gegen den selbst ermittelt wird. Der Kongressabgeordnete hat im Wahlkampf eine frei erfundene Karriere vorgegaukelt und soll wie Trump gegen Wahlkampffinanzierung-Vorschriften verstoßen haben. „Ich bin hier, um den Präsidenten zu unterstützen“, erklärte Santos, der Greene als „Freundin“ bezeichnete.

Von Massenprotesten, wie sie Trump gefordert hatte, war die Situation in Lower Manhattan weit entfernt. Reporter vor Ort sprachen von einer „angespannten“, aber „überwiegend friedlichen“ Stimmung. Unter den paar Tausend Menschen, die auf die Straße gegangen waren, fanden sich mindestens so viele Gegner des Präsidenten wie Anhänger.

Laut Umfrage jeder sechste Amerikaner für die Anklageerhebung

Zum Beispiel Gregory Williams, der seinen Klappstuhl neben einer Pappfigur Hillary Clintons in Sichtweite des Gerichtspalasts aufgebaut hatte. Zu deren Füßen stand ein Schild „Lock him up“, eine Anspielung auf die Sprechchöre der Trump-Hänger während des Wahlkampfs 2016. „Das ist der beste Tag in meinem Leben“, sagte der Schwarze einem amerikanischen Reporter vor Ort. „Das ist eine Riesenshow und ich habe Popcorn mitgebracht“.

Eine Schau, die für den Ex-Präsidenten einen ungewissen Ausgang hat. Die Hauptverhandlung dürfte noch Wochen auf sich warten lassen und könnte sich bis weit ins Wahljahr hineinziehen. Parallel erwarten Trump mögliche Anklagen in Georgia wegen der versuchten Manipulation der Wahlergebnisse sowie in Washington. Dort ermittelt Sonderermittler Jack Smith in der Dokumenten-Affäre und seiner Rolle beim Aufstand am 6. Januar.

Eine Umfrage des TV-Senders CNN am Vorabend des historischen Gerichtstermins fand heraus, dass sechs von zehn Amerikanern die Anklage des Ex-Präsidenten für richtig halten.