Nur zwei Tage nach seiner Absetzung ist der pro-kurdische Bürgermeister der Stadt Hakkari im Südosten der Türkei zu 19 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Die Hintergründe.

Nur zwei Tage nach seiner Absetzung ist der pro-kurdische Bürgermeister der Stadt Hakkari im Südosten der Türkei zu 19 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Das Urteil gegen Mehmet Siddik Akis sei am Mittwoch wegen „Terrorismus“ ergangen, sagte sein Verteidiger der Nachrichtenagentur AFP. Wie aus von einem Lokaljournalisten im Onlinedienst X veröffentlichten Bildern hervorging, gab es in Hakkari kurz nach dem Urteil Proteste.

 

Akis, Mitglied der pro-kurdischen Oppositionspartei DEM, war am Montag als erster pro-kurdischer Bürgermeister seit den Kommunalwahlen vom 31. März in Gewahrsam genommen worden. Im Parlament in Ankara gerieten am Dienstag Abgeordnete der Regierungspartei AKP und der DEM aneinander, als letztere gegen die Absetzung des Bürgermeisters protestieren wollten. In Hakkari gingen Polizisten dem oppositionsnahen Medium Medyascope zufolge mit Gummigeschossen gegen Demonstranten vor. 

Akis sprach nach seiner Verurteilung am Mittwoch von einem „politischen Prozess“ und sagte: „Ich bin 53 Jahre alt, ich habe all diese Jahre gekämpft und ich werde weiter kämpfen.“ Akis werden von der türkischen Justiz Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorgeworfen, die er jedoch bestreitet. 

AKP von Erdogan erlebte bei der Kommunalwahl ein Wahldebakel

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan reagierte auf die Verurteilung mit den Worten: „Die Gerichte haben nach dem Gesetz entschieden.“ Mit Blick auf die Zusammenstöße am Dienstag im Parlament sagte Erdogan: „Es hat keinen Sinn, links und rechts mit Plakaten in der Hand anzugreifen. Wenn jemand in „illegale Aktivitäten verwickelt“ sei, müsse das Gesetz „durchgesetzt werden“, führte Erdogan aus. „Hakkari war ein erster Schritt in diese Richtung.“

Die DEM, die frühere HDP, hatte bei den Kommunalwahlen Ende März in insgesamt 77 türkischen Gemeinden die Kommunalwahl gewonnen. Darunter waren mehrere große Städte des kurdisch geprägten Südostens des Landes, so etwa Diyarbakir, die größte Stadt der Region. Die AKP von Präsident Erdogan erlebte bei der Kommunalwahl hingegen ein Wahldebakel.

Erdogan beschuldigt die HDP, der politische Arm der PKK zu sein. Die HDP weist dies zurück. Gegen die HDP läuft ein Verbotsverfahren, HDP-Abgeordnete schlossen sich zur DEM zusammen. Der frühere HDP-Vorsitzende Selahattin Demirtas sitzt seit 2016 im Gefängnis, im Mai wurde er unter anderem wegen „Verletzung der Einheit des Staates“ zu 42 Jahren Haft verurteilt.