Der Reckspezialist Fabian Hambüchen muss seit vergangenem Herbst den Sport und sein Studium unter einen Hut bringen. Die nun beginnende WM in Antwerpen ist der erste Härtetest.

Köln/Antwerpen - Jedes Mal, wenn Fabian Hambüchen über seinen Vater Wolfgang spricht, wird der legere Zungenschlag des Kölner Sportstudenten besonders locker. „Vadder“, sagt der 25-Jährige dann immer. Und erzählt vom „Vadder“, der montags aus Wetzlar in die Domstadt fährt, um den Sohn vor und nach dessen Kursen und Vorlesungen an der Deutschen Sporthochschule zu trainieren. Und erwähnt schmunzelnd die Halle 21, seine Übungshalle, „wo vor 30 Jahren auch schon mein Vadder trainiert hat“. Oder er unterstreicht, dass die familiäre Basis seiner Erfolge auch beim Doppelleben als Leistungssportler und Student Bestand hat.„Grundsätzlich gilt: ohne Vadder zu trainieren – das geht nicht“, sagt Fabian Hambüchen. Auch wenn in dem eingeschworenen Gespann „noch im Februar die Fetzen flogen“, wie der Reck-Weltmeister von 2007 berichtet; oder zwischen den beiden auch mal zwei Tage Schweigen herrschte – weil Fabian Hambüchen nach den Spielen in London das Training etwas schleifen ließ. Seit vergangenem Herbst studiert der Olympia-Zweite von 2012 (ebenfalls am Reck) Sportmanagement und -kommunikation in Köln – wobei das Turnen längst wieder im Mittelpunkt steht und einem festen Rhythmus unterworfen ist.

 

Anfang der Woche kommt Wolfgang Hambüchen für zwei Tage zum Coaching nach Köln-Müngersdorf; Freitag und Samstag fährt der jüngere seiner beiden Söhne im Gegenzug nach Wetzlar, konzentriert sich am Mittwoch in Köln auf Physiotherapie, Ausgleichssport und Regeneration – und weil der Sonntag ohnehin frei ist, bleibt nur noch der Donnerstag übrig. An dem Tag hat Fabian Hambüchen bisher allein trainiert, vom nächsten Semester an soll ihn dann aber Gunter Schönherr, der frühere Cheftrainer der deutschen Junioren, betreuen.

Bestens platziert vor dem Semesterbeginn am 14. Oktober steht von heute an aber zunächst die Einzel-WM in Antwerpen im Lehrplan. Hambüchen, der als Einziger aus dem sechsköpfigen Männer-Team des Deutschen Turner-Bundes im Mehrkampf antritt, startet gleich in die Qualifikation – und hat für die WM im nacholympischen Jahr zwei Ziele: einen Platz unter den Top acht im Mehrkampf und die Finalteilnahme an seinem Spezialgerät, dem Reck.

Studium und Turnen – kein einfacher Zeitplan

„Hab‘ ich das erst mal geschafft, dann heißt es: no risk, no fun. Und dann kann alles passieren“, sagt Hambüchen und reibt sich beim Gedanken an den finalen WM-Tag (6. Oktober) schon mal die Hände. An Reck und am Barren hat er für Antwerpen neue Übungen in sein Programm eingebaut, ursprünglich wollte er dem Publikum auch am Pauschenpferd und am Boden frische Zutaten präsentieren. Letztlich lief ihm aber die Zeit davon – wegen der zusätzlichen Verpflichtungen im Studium, über das Fabian Hambüchen sagt: „Das Lernen ist manchmal schon eine Art Quälerei.“

Zwei „Hammerprüfungen“ in Statistik und BWL/VWL hat er gerade hinter sich gebracht. Es sind die aktuellsten Zwischenschritte in einem Hochgeschwindigkeitsprogramm, das der 165-Zentimeter-Mann, der bereits mit knapp 23 Jahren seine Autobiografie veröffentlichte, gezielt angegangen ist. Denn, so erklärt Hambüchen: „Wenn es Richtung Olympia 2016 geht und noch weniger Zeit da ist, werde ich das Studium ein bisschen verlangsamen müssen. Insofern probier‘ ich jetzt erst einmal, mit Vollgas so weit wie möglich zu kommen.“

Die notwendigen Energiereserven legte er sich auf einem Kreuzfahrtschiff eines seiner früheren Sponsoren zu. Beim letzten Jahreswechsel ließ sich Fabian Hambüchen zwei Wochen lang über die Meere kutschieren, rührte einschließlich der Feiertage fast drei Wochen lang kein Turngerät an. Eine segensreiche Abstinenz sei das gewesen, wie er nun kurz vor dem Saisonhöhepunkt erfreut feststellt. „Diese Pause war optimal – weil ich gemerkt habe, dass ich richtig platt war“, sagt Hambüchen und rekapituliert: „Im Urlaub habe ich richtig Kraft gesammelt und merke in diesem Jahr, dass ich wirklich ziemlich frisch und gut drauf bin.“Schon mit der WM-Qualifikation Anfang September in Berlin war er „rundum zufrieden“. Und dass sich nach dem Rücktritt von Philipp Boy im vergangenen Dezember und der WM-Absage von Marcel Nguyen, bei den Spielen in London Silbermedaillengewinner am Barren und im Mehrkampf, die Erwartungen in der Olympia-Stadt von 1920 nun noch stärker auf ihn fokussieren als ohnehin – nun ja. Gut turnen wolle er sowieso immer, und in Antwerpen nun zudem „versuchen, vor allem die neuen Sachen gut hinzukriegen“, sagt Hambüchen. Dann überlegt er einen Moment, ehe er schelmisch grinst: „Eigentlich freue ich mich mehr darauf, bei der WM die ganzen alten Gesichter wiederzusehen.“