In den Erstaufnahmestellen in Baden-Württemberg sind noch mehr als die Hälfte der Plätze frei. Auch die Schulen haben Kapazitäten in den Vorbereitungsklassen. Doch die Migrationsministerin rechnet mit einem steigenden Zustrom.

Stuttgart - Baden-Württemberg zeigt sich hilfsbereit gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine. Die Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) sagte am Dienstag, nachdem sich das Kabinett mit den Kriegsfolgen beschäftigt hatte: „Baden-Württemberg nimmt selbstverständlich Kriegsflüchtlinge auf. Das ist ein Gebot von Moral und Menschlichkeit.“ Sie appellierte an die Baden-Württemberger: „Wir werden Ihre Hilfe benötigen und wahrscheinlich für längere Zeit.“

 

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Flüchtlinge aus der Ukraine fallen unter die europäische Richtlinie zur Bewältigung eines Massenzustroms. Sie müssen nicht in eine Erstaufnahmestelle, sie brauchen kein Asylverfahren, sie haben Zugang zum Arbeits- und zum Wohnungsmarkt und sie erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

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Am Dienstagmittag waren nach Informationen von Gentges 1500 ukrainische Flüchtlinge in den Landeserstaufnahmestellen (Lea). Wie viele Geflohene im Land sind, weiß das Ministerium nicht. Nach bisherigen Erkenntnissen kommen viele bei Verwandten unter.

Angekündigte Busse noch nicht gekommen

Bisher ist Baden-Württemberg als Ziel der Ukrainer nicht besonders gefragt. Viele zieht es Gentges zufolge nach Berlin oder Bayern. Das Land Berlin hat bereits um Hilfe gebeten. Die bietet Baden-Württemberg an. Am Freitag seien einige Busse mit Geflüchteten angekündigt worden, doch diese seien bis jetzt noch nicht im Land eingetroffen, sagte Gentges.

Sie rechnet jedoch damit, dass der Zustrom ansteigen wird. Dabei sei noch nicht geklärt, wie die Menschen verteilt würden. In den Erstaufnahmestellen im Land in Sigmaringen, Ellwangen, Freiburg und im Ankunftszentrum Heidelberg wurden seit der Eskalation des Krieges in der Ukraine 2500 zusätzliche Plätze geschaffen. In Meßstetten (Zollernalbkreis) entsteht ein eigenes Ankunftszentrum, in dem bis zu 800 Flüchtlinge aus der Ukraine unterkommen können.

Pandemieauflagen gelockert

Bis zu 9800 Plätze gibt es in Baden-Württemberg in der Erstaufnahme, 5700 waren am Dienstagmittag noch frei. Die Einrichtungen sollen voll ausgelastet werden. Die Separierung von Neuankommenden wird ausgesetzt. Bisher galt wegen der Coronapandemie eine Obergrenze von 60 Prozent. Doch nach dem 19. März wird voraussichtlich das Infektionsschutzgesetz des Bundes auslaufen. Dann gebe es keine Rechtsgrundlage mehr, erklärte Gentges.

Impfungen angeboten

Die Pandemie macht den Behörden dennoch zu schaffen. Wer in eine der Erstaufnahmestellen kommt, wird routinemäßig getestet und angehalten, in den ersten zehn Tagen Kontakte zu reduzieren. Das Land bietet Impfungen an. Vorgesehen sind laut Gentges Röntgenaufnahmen der Atmungsorgane. Auch erkennungsdienstlich werden die Angekommenen behandelt. Die Migrationsministerin, die auch für die Justiz zuständig ist, sieht die Gefahr des Missbrauchs. „Ukrainische Pässe gewinnen an wirtschaftlichem Wert“, sagte Gentges. Vor diesem Hintergrund haben die Behörden großes Interesse daran, dass sich auch die Geflohenen, die privat unterkommen, registrieren lassen.

Sollten schnell mehr Flüchtlinge kommen, sollen die Regierungspräsidien schon jetzt prüfen, ob Hotels angemietet werden könnten. Auch mit den Kirchen sei man im Gespräch, für den Notfall denke man auch an Zeltunterbringungen, sagte Gentges.

Kinder sollen schnell in die Schule

Das Land hat diverse Stäbe und Lenkungsgruppen eingerichtet, um ressortübergreifend zu handeln. Möglichst schnell sollen die Kinder in Kitas und Schulen untergebracht werden. Das verlangt auch die SPD. Sie fordert unbürokratische psychologische Hilfe für die teils schwer traumatisierten Flüchtlinge. Sascha Binder, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, meint außerdem: „Wir haben nun zusätzlich gemeinsam die Aufgabe, Kinder und Jugendlichen rasch Zugang zu Kitas und Schulen zu ermöglichen.“

Noch gibt es Platz in Vorbereitungsklassen

Das geht in Einzelfällen unbürokratisch. Wenn Geflüchtete bei Verwandten untergekommen sind, könne schon mal ein Schulkind seine Cousine mit in die Klasse bringen, sagte ein Sprecher von Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) auf Anfrage. Der klassische Weg für Flüchtlingskinder, die nicht deutsch sprechen, sind aber die Vorbereitungsklassen, die das Land seit Jahren anbietet. Dort gebe es derzeit ausreichend Plätze, sagte der Sprecher. Zurzeit wisse man nur von vereinzelten Anfragen. Die Schulpflicht greife erst sechs Monate nachdem die Kinder zugezogen seien. Über weitere Angebote werde man bei Bedarf beraten. Ein Problem ist der Lehrermangel. Teil der Überlegungen ist demnach auch, Lehrerinnen, die unter den Geflüchteten sein könnten, in die Betreuung einzubeziehen.