Statt auf offenen Schlagabtausch setzten die europäischen Staats- und Regierungskrise in der Ukrainekrise wieder auf Gespräche: Merkel, Hollande und Cameron wollen sich mit Putin an den Verhandlungstisch setzen. Auch Moskau zeigt sich gesprächsbereit.

Statt auf offenen Schlagabtausch setzten die europäischen Staats- und Regierungskrise in der Ukrainekrise wieder auf Gespräche: Merkel, Hollande und Cameron wollen sich mit Putin an den Verhandlungstisch setzen. Auch Moskau zeigt sich gesprächsbereit.

 

Brüssel/Paris - Nach elf Wochen Konfrontation in der Ukraine-Krise gewinnt die Diplomatie wieder die Oberhand. Vom Gipfel der führenden westlichen Industrienationen (G7) in Brüssel kamen hoffnungsvolle Signale der Entspannung.

Erstmals seit dem Krim-Anschluss an Russland im März wollten sich Frankreichs Präsident François Hollande und der britische Premier David Cameron am Donnerstag mit Kremlchef Wladimir Putin in Paris wieder an den Verhandlungstisch setzen.

Bei einem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Putin im französischen Deauville soll nach russischen Angaben am Freitag sogar ein Plan auf dem Tisch liegen, um die schwerste Sicherheitskrise in Europa nach Ende des Kalten Krieges zu entschärfen.

Sollte die diplomatische Initiative scheitern, drohen die führenden westlichen Industriestaaten (G7) schärfere Wirtschaftssanktionen an.

Obama schließt Gespräch mit Putin nicht aus

Die Begegnungen finden nach dem G7-Gipfel rund um die Feierlichkeiten zum Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie statt. Selbst US-Präsident Barack Obama, der Putin während seiner Europa-Reise immer wieder hart angegangen war, schloss - wie zuvor auch Putin - ein Gespräch nicht aus: „Sollten wir die Gelegenheit zum Reden haben, werde ich ihm dieselbe Botschaft wiederholen, die ich ihm während der Krise gesagt habe. Wir werden sehen, was Putin in den nächsten zwei, drei, vier Wochen macht.“ Bleibe er auf seinem Kurs, müsse er mit weiteren Strafmaßnahmen rechnen.

Mit den schärferen Sanktionen in der Hinterhand wird auch die Bundeskanzlerin am Freitagmorgen Putin in Deauville treffen, das liegt etwa 100 Kilometer abseits der eigentlichen Feierlichkeiten. Sie lobte die Linie der G7. „„Über alle die Punkte gab es eine große Einigkeit zwischen den G7“, sagte sie. „Und deshalb glauben wir, dass wir diesen Kurs auch in den nächsten Wochen weiter machen werden.“

Es gehe darum, Putin deutlich zu machen, dass die G7 Lösungen über Gespräche wollten, sagte sie. Sanktionen werde es nur geben, sollten Verhandlungen scheitern.

Auch über den Streit über russische Gaspreise wollen Merkel und Putin demnach reden. Die Ukraine steht bei Russland mit Milliarden in für nicht bezahltes Gas der Kreide.

Für Cameron war ein Ziel des Gesprächs, Putin und den neuen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zu einer ernsthaften diplomatischen Lösung zu bewegen. „Bis sie den Kurs ändern, müssen sie verstehen, dass sie weiter isoliert werden und nicht mit am Tisch sitzen“, sagte Cameron.

In der Nacht zum Donnerstag hatte sich die Gipfelrunde auf die Erklärung zur Ukraine verständigt. Damit wurde vor den einzelnen Treffen mit Putin auch der Verhandlungsspielraum abgesteckt.

Vier Forderungen an Russland

„Wir sind bereit, die gezielten Sanktionen zu verstärken und zusätzliche bedeutsame restriktive Maßnahmen zu verhängen, um den Preis, den Russland zu zahlen hat, in die Höhe zu treiben, wenn die Ereignisse dies erfordern“, heißt es in dem Dokument. Die G7 hat vier Forderungen an Russland: Zusammenarbeit mit dem neuen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, Stopp des Zustroms von Separatisten und Waffen in die Ostukraine, Garantien für die Gasversorgung, vollständiger Abzug der Truppen von der ukrainischen Grenze.

Russland nannte die Erklärung zynisch. „Die sogenannten Sieben lassen sich über „gemäßigte Handlungen“ der ukrainischen Armee gegen das eigene Volk aus: Das ist an Zynismus kaum zu überbieten“, sagte Ministerpräsident Dmitri Medwedew und erinnerte an Luftangriffe auf prorussische Separatisten.

Russland hatte sich völkerrechtswidrig die zur Ukraine gehörende Schwarzmeerhalbinsel am 21. März einverleibt. Daraufhin hatten die Europäische Union und die USA Strafmaßnahmen gegen Russland verhängt. Auch den geplante G8-Gipfel im russischen Sotschi sagten die G7-Staats- und Regierungschefs ab, verlegten das Treffen nach Brüssel und schlossen Putin aus ihren Reihen aus.

Erstmals seit 16 Jahren kamen die G7 ohne Russland zu einem Gipfel zusammen. Das Treffen richtete die Europäische Union aus. Zur G7-Runde gehören die Regierungschefs der USA, Kanadas, Japans, Frankreichs, Italiens, Großbritanniens und Deutschlands. Gastgeber waren EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionschef José Manuel Barroso.

Andere Themen fielen hinter der Ukraine-Krise zurück: Die Staats- und Regierungschef verurteilten die Brutalität des Regimes von Präsident Baschar al-Assad scharf. Die Wiederwahl Assads wurde als „Scheinwahl“ bezeichnet. Außerdem arbeitet die G7 an Wachstumsstrategien, um für mehr Investitionen und Arbeitsplätze zu sorgen. Diee Pläne sollen beim Gipfel der größten Industrie- und Schwellenländer - Gruppe der 20/G20 - im November im australischen Brisbane vorgelegt werden.

Lob für die entwicklungspolitischen Schritte des Gipfels kam von der Organisation ONE: „Angesichts der besonderen Situation und thematischen Ausrichtung in diesem Jahr, ist es sehr erfreulich, dass entwicklungspolitische Themen überhaupt Eingang gefunden haben.“ Es sei besonders wichtig, dass der Gipfel in Deutschland nächstes Jahr ein voller Erfolg im Kampf gegen Armut auf der Welt werde.

Der nächste Gipfel ist im Juni 2015 auf Schloss Elmau in Oberbayern geplant. Ob als G7 oder G8, ist offen.