Auch wenn die behördlichen Gutachten entmutigend sind: die Gegner einer B-10-Umfahrung in Enzweihingen geben nicht auf. Sie zweifeln am guten Willen der Behörden bezüglich der Kurztunnel-Alternative. Eine Ortsbegehung.

Vaihingen/Enz - Variante A: acht Zentimeter. Variante B: drei Zentimeter. Das klingt nach keinem großen Unterschied. Doch an diesem Sonntagmittag haben sich gut zwei Dutzend Menschen zusammengefunden, die in diesem Punkt bereit sind, für jeden Zentimeter zu kämpfen. Es geht um die Frage, ob der Vaihinger Stadtteil Enzweihingen eine Umfahrung braucht – oder eher einen Kurztunnel. Und just dabei geht es auch um die Frage, um wie viele Zentimeter sich das Hochwasser im Wiesental erhöht, wenn Variante A (Umfahrung) oder B (Kurztunnel) gebaut werden.

 

Für die Gegner der üppig geplanten, rund zehn Meter hohen Umfahrung, war das jüngste Gutachten des Regierungspräsidiums Stuttgart (RP) ein schwerer Schlag. Die Ergebnisse glichen einem Frontalangriff auf die Tunnel-Alternative, auf denen ihre Hoffnungen ruhten: Diese sei mit mehr als 73 Millionen Euro Baukosten doppelt so teuer wie die Umfahrung, zudem müssten dafür bis zu 13 Meter hohe Lärmschutzwände mitten in Enzweihingen gebaut werden.

„Mancher kriegt ein Brett vor den Kopf“

„Jetzt erst recht“, könnte das Motto des Rundgangs lauten, den der Ortsverband der Grünen an diesem Sonntag veranstaltet. Mit großen, roten Ballons haben sie neuralgische Punkte des mächtig anmutenden Umfahrungsbauwerks markiert. Die Bälle verfehlen ihre Wirkung nicht. „Wahnsinn“, murmelt eine Enzweihinger Mitwanderin, „irre hoch“, sagt ihr Begleiter. „Hier werden beim RP Äpfel mit Birnen verglichen“, erläutert Markus Rösler, Landtagsabgeordneter der Grünen und Mitgründer der „Schutzgemeinschaft Mittleres Enztal“. In den Plänen sei stets die Rede davon, dass die Lärmschutzwände für die Umfahrung nur zwei, maximal drei Meter hoch seien. Dabei werde aber verschwiegen, dass diese Wände auf einem mit Stelen gestützten, gut acht Meter hohen Straßenbauwerk errichtet würden. „Mancher, der aus dem Fenster schaut, hat da ein Brett vorm Kopf.“

Der Biologe Elmar Schelkle, ein Mitstreiter Röslers in der Schutzgemeinschaft, gibt heute den Wanderführer. Am Ortsrand von Enzweihingen erläutert er den Zuhörern, wie groß das RP hier den Anschlussknoten für die Umfahrung plant. Sage und schreibe 16 Fahrspuren auf zwei Ebenen seien hier vorgesehen, rechnet Schelkle vor. „Ich nenne das immer das Autobahnkreuz Enzweihingen-Ost.“ Man könne meinen, hier werde für New York geplant, sagt eine Teilnehmerin.

Ein bewusstes Missverständnis?

Von den Planern im Regierungspräsidium fühlen sich viele Umfahrungsgegner missverstanden. Sie wünsche sich für den Ort „eine kleinere, schnell realisierbare Verkehrslösung“, sagt etwa die Enzweihinger Grünen-Stadträtin Heike Tapken-Brust. Wenn der kritische Punkt, die Ampel an der Kreuzung in der Ortsmitte, beseitigt werde, etwa durch eine überdeckelte Fahrbahn wie an der Friedrichstraße in Ludwigsburg, dann sei dem Ort geholfen. Sie rätsle noch immer, ob das RP dies bewusst falsch verstehen wolle.

Auch einige ältere Herrschaften, die sich bei den Diskussionen als Umfahrungsbefürworter zu erkennen geben, haben sich unter die Gruppe gemischt. Wie schwer wiegt die Ökologie gegenüber den Belangen der Anwohner? Kommt man bei der Tunnelvariante überhaupt mit dem Auto aus Enzweihingen heraus, ohne stundenlang an der Ampel zu stehen? Sollte man sich nicht aus Kostengründen auf die Umfahrung einigen? Fragen wie diese werden lebhaft, aber sachlich diskutiert.

„Das wird kein zartes Bauwerk“

Tatsächlich findet Elmar Schelkle immer wieder eine befriedigende Antwort. Zum Beispiel für die Acht-Zentimeter-Frage. „Das klingt, als wäre es nicht so viel, aber irgendwann summiert sich das mal“, sagt er. In Überschwemmungsgebieten zähle jeder Zentimeter. Genau dort wolle das Regierungspräsidium zwei große Dämme aufschütten, auf denen die Brücke liegen solle. „Das wird kein zartes Bauwerk.“