Die Blüte lockt, die Biene kommt - dieses Schauspiel ist uralt. Doch der Duft von Blumen geht in verschmutzter Luft verloren, wie Forscher berichten. Bestäuber finden in der Folge den Weg schlechter.

Washington - Vor lauter Abgas riecht man gar nichts anderes mehr - das geht nicht nur Menschen in Großstädten so, sondern trifft einer Studie zufolge auch Insekten. Luftschadstoffe schränken mit ihrem Einfluss auf Duftstoffe womöglich die Bestäubung weltweit ein, wie ein Forschungsteam im Fachjournal "Science" berichtet. Viele Pflanzenbestäuber legen bei der Nahrungssuche angezogen von Blütendüften weite Strecken zurück.

 

Nicht nur Lärm und künstliches Licht beeinflussen das Verhalten von Tieren, sondern auch vom Menschen freigesetzte Substanzen. Studien zuvor hätten bereits gezeigt, dass hohe Konzentrationen von Dieselabgasen oder bodennahem Ozon die Geruchserkennung von Insekten beeinträchtigen können, erläutert das Team um Joel Thornton und Jeffrey Riffell von der University of Washington. Oxidationsmittel wie Ozon (O3) und das Nitratradikal (NO3-Radikal) bauen demnach bestimmte Verbindungen ab, die lockenden Blumendüften zugrunde liegen.

Die Forschenden untersuchten nun speziell die Auswirkungen von Ozon und dem NO3-Radikal auf die nächtliche Bestäubung der Nachtkerze (Oenothera pallida) durch Nachtfalter (Hyles, Manduca) im US-Bundesstaat Washington. Nachtkerzen verströmen demnach einen starken Blütenduft, der eine Vielzahl von Bestäubern anlockt. Etwa 300 Blüten wurden über insgesamt 200 Stunden hinweg beobachtet. Zudem wurden einzelne Komponenten des Duftes, ihre jeweilige Wirkung auf die Nachtfalter sowie ihr Abbau durch Ozon und das NO3-Radikal untersucht.

Zahl der Blütenbesuche geht um rund 70 Prozent zurück

Die Feldbeobachtungen und Laborexperimente des Teams zeigten, dass das NO3-Radikal - das in vielen Regionen nachts vorherrschende Oxidationsmittel - bestimmte Duftstoffe rasch abbaut. Betroffen seien insbesondere einzelne sogenannte Monoterpene, die auf die Falter besonders anziehend wirkten. Die Blüten seien in der Folge für die nachtaktiven Schmetterlinge kaum oder gar nicht mehr wahrnehmbar. Die Zahl der Blütenbesuche durch die Nachtfalter gehe um rund 70 Prozent zurück. In der Folge vermindere sich die Fruchtbildung der Nachtkerzen um etwa 30 Prozent.

O3 hatte den Analysen zufolge in der Nacht einen geringeren Effekt als das NO3-Radikal. Ozon wird in Bodennähe tagsüber durch einen komplexen Mechanismus gebildet, an dem neben intensiver Sonneneinstrahlung vor allem Kohlenwasserstoffe und Stickoxide beteiligt sind. Das NO3-Radikal hingegen zerfällt unter dem Einfluss von Sonnenlicht. In der Nacht wiederum können aus der Reaktion von Ozon mit Stickstoffdioxid (NO2) hohe Mengen des NO3-Radikals entstehen.

Das Team um Thornton und Riffell zeigte anhand eines globalen Modells auch, dass die O3- und NO3-Radikal-Belastung der Atmosphäre in vielen städtischen und stadtnahen Gebieten ausreicht, um die Entfernungen, über die Bestäuber Blüten wahrnehmen können, erheblich zu verringern. In bestimmten bevölkerten Regionen weltweit hätten sich die Dufterkennungsdistanzen seit der vorindustriellen Zeit teils wohl um 75 Prozent oder mehr vermindert, schließt das Team aus modellierten Vergleichen. Luftschadstoffe könnten so Bestäubung und Erträge entscheidend beeinflussen, vermuten die Wissenschaftler.