Ob Claudia Pechstein mit einem Disziplinarverfahren rechnen muss, ist eine komplizierte Wertungsfrage.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Die Welle der Empörung rollt ja ganz gerne auch über Petitessen hinweg. Ob die mehrmalige Olympiasiegerin im Eisschnelllauf Claudia Pechstein beim CDU-Parteitag in der Uniform ihres Arbeitgebers, der Bundespolizei, hätte auftreten dürfen, das ist so ein Thema. Nicht von epochaler Bedeutung – aber beim näheren Hinsehen durchaus interessant.

 

Soldaten und Polizisten unterscheiden sich

Für Soldaten ist es in §15 II Soldatengesetz ausdrücklich geregelt, dass diese bei politischen Veranstaltungen keine Uniform tragen dürfen. Im Bundespolizeigesetz findet sich solch eine Vorschrift nicht. Wann Polizisten außerhalb ihres Dienstes eine Uniform tragen dürfen, muss daher anhand allgemeiner Rechtsgrundsätze erarbeitet werden.

Natürlich dürfen und sollen Polizeibeamte für das Prinzip der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen. Auch die Meinungsfreiheit ist hiervon nicht berührt. Problematisch ist allerdings die Verquickung zwischen dienstlicher Tätigkeit – auch und gerade in Uniform – und politisch motivierter (medienwirksamer) einseitiger Stimmungsmache. Vor rund zehn Jahren hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof gegen einen Polizisten entschieden, der in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Polizeigewerkschaft in Uniform ein Interview gegeben hatte, bei dem es über die Schließung von Polizeirevieren ging.

Experte mit klarer Ansicht

In der Causa Pechstein ist nicht in erster Linie das Tragen der Uniform problematisch – sondern der Ort des Geschehens. Denn für Polizisten gilt das Mäßigungsgebot. Sie müssen auch außerhalb des Dienstes jeden Anschein vermeiden, ihr Amt nicht unparteiisch und ausschließlich am Gemeinwohl orientiert wahrzunehmen. So steht es in § 60 I2 des Bundesbeamtengesetzes.

„Diesen Anforderungen dürfte Claudia Pechstein kaum gerecht geworden sein“, schreibt der Freiburger Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Patrick Heinemann, in einem Gastbeitrag für die Internetzeitschrift „Legal Times Online“. Der durchschnittliche Betrachter werde bei einer Person, die eine Polizeiuniform trägt, zunächst davon ausgehen, dass sie in dienstlicher Funktion auftritt und für ihren jeweiligen Dienstherrn spricht. „Das war bei Claudia Pechstein aber gerade nicht der Fall.“ Ob auch der Arbeitgeber von Claudia Pechstein diese Meinung vertritt, wird von der Bundespolizei gerade geprüft.

Keine Besonderheiten im Südwesten

Die meisten Polizeibeamten in der Republik arbeiten für die 16 verschiedenen Bundesländer. Dort sind abweichende Regeln möglich. In Baden-Württemberg gebe es keine ausdrücklichen, gesetzlichen Regeln zu diesem Thema, heißt es aus dem Innenministerium. Es komme auf den Einzelfall an.