Der frühere EnBW-Chef Utz Claassen investiert in den RCD Mallorca, will diesen zum Top-Club machen und baut auf die fußballaffinen Touristen.  

Mallorca - Der prominente Gast aus Deutschland verlässt die Ehrentribüne nach dem Schlusspfiff mit äußerst schlechter Laune. "Ein Grottenkick" sei die jüngste 1:2-Heimniederlage des RCD Mallorca gegen den FC Getafe gewesen, er habe "noch selten in einem Fußballstadion etwas dermaßen Grausames erlebt". Schon bald aber, da ist sich der Mann ganz sicher, wird es vorbei sein mit der Tristesse im maroden Stadion Son Moix vor den Toren von Palma de Mallorca. Dann soll die graue Maus des spanischen Fußballs in den schillerndsten Farben erstrahlen.

 

Dafür will Utz Claassen, 48 Jahre alt, höchstpersönlich sorgen.

Der RCD Mallorca, Tabellenvierzehnter der Primera División, 14.000 Besucher im Schnitt, ist das neue Projekt des früheren EnBW-Chefs. Schon im vergangenen Jahr hatte Claassen zehn Prozent der Anteile übernommen und ließ sich in den Verwaltungsrat wählen. Vergangene Woche erwarb er zusätzliche zehn Prozent vom mallorquinischen Tennisstar Rafael Nadal und dessen Onkel, dem früheren Fußball-Nationalspieler Miguel Angel Nadal. Weitere Zukäufe, so heißt es, seien vorstellbar.

Am nötigen Kleingeld fehlt es nicht

Wie viel sich Claassen sein Hobby kosten lässt, darüber haben alle Parteien Stillschweigen vereinbart. Sicher ist nur: am nötigen Kleingeld wird es ihm nicht fehlen. Zu kurz gekommen ist der Mann, der als Beruf "Topmanager, Unternehmer, Unternehmensberater, Wissenschaftler, Autor und Publizist" angibt und dessen Lebenslauf auf seiner Homepage sieben Seiten umfasst, noch bei keinem seiner Berufsstationen. Beim Energiekonzern EnBW wurde seine Arbeit zwischen 2003 und 2007 mit mehr als zwölf Millionen Euro vergütet, seit seinem vorzeitigen Abschied erhält er eine jährliche Betriebsrente von 400.000 Euro. Und bei dem Mittelständler Solar Millennium, seinem vorerst letzten (und mittlerweile insolventen) Arbeitgeber, kassierte er Anfang 2010 ein Antrittsgeld von neun Millionen Euro - und ging nach 74 Tagen unter Getöse wieder von Bord.

Sein Engagement beim RCD Mallorca, sagt Claassen, sei langfristig angelegt. Nach seiner Vorstellung soll der klamme Inselclub, dessen Schulden dank eines Gläubigerverzichts unlängst von 80 auf 40 Millionen Euro geschrumpft sind, eines Tages hinter Real Madrid und dem FC Barcelona "zur dritten Kraft im spanischen Fußball" werden. Den Weg dorthin hat Claassen den verblüfften Kollegen aus dem Verwaltungsrat bereits aufgezeigt - in einem 126-Punkte-Programm, "ich musste allein 70 Schaubilder erklären".

Die Essenz seines Vortrags: der Traditionsverein soll auch außerhalb der Insel bekannt gemacht werden; aus einer rein mallorquinischen will Claassen "eine europäische Marke entwickeln". Außer London, verriet der Investor der "Wirtschaftswoche", kenne er "keinen Standort, der besser dafür prädestiniert ist, eine Fußballmarke aufzubauen als Mallorca". Auf die vielen Fußballfans unter den jährlich mehr als zehn Millionen Touristen hat er es abgesehen. Sie sollen nicht mehr nur am Ballermann Sangria trinken - sie sollen ins Stadion kommen, Trikots kaufen und in der Heimat "als Multiplikatoren wirken". Claassens Rechnung: "Wenn nur zwei Prozent der Touristen Fußball sehen wollen, ist das Stadion immer voll."

Tui bietet Ausflüge ins Stadion an

Den Touristikriesen Tui aus seiner Heimatstadt Hannover hat Claassen von der Idee schon überzeugen und zu einer Kooperation bewegen können. Von der Urlaubssaison 2012 an bietet der Reiseveranstalter Ausflüge ins Stadion an; das Spektrum reicht vom Ticket in der Kurve bis zum VIP-Paket mit Rundumbetreuung und Sitzplatz auf der Ehrentribüne. Davon sollen nicht nur Deutsche angesprochen werden, sondern "Engländer und Holländer, Schweden oder Finnen". Auch sie meint Claassen, wenn er davon spricht, dass von den Mallorcatouristen "überproportional viele Menschen fußballaffin" seien.

Das gilt auch für Claassen selbst. Ende der 90er Jahre war er Präsident von Hannover 96, als Chef der EnBW war er anschließend Hauptsponsor des VfB Stuttgart und des Karlsruher SC. Auch der spanische Fußball ist ihm nicht fremd: In seiner Zeit als Finanzvorstand der Automobilherstellers Seat habe er "kaum ein Heimspiel des FC Barcelona verpasst". Seinen Einstieg beim RCD Mallorca betrachtet er daher nicht nur als "strategisches Investment im Portfolio meiner Aktivitäten", sondern vor allem als "sehr emotionales Engagement".

Die alteingesessenen Fans auf der Insel muss er davon aber wohl noch überzeugen. Als Rafael Nadal aus Verärgerung über die Vereinspolitik seinen Anteil abgab, beschlich das Internetportal www.mallorcainfos.com ernste Sorgen: "Bleibt zu hoffen, dass die Fans des RCD nicht Claassen die Mitschuld an der Trennung geben und ähnlich reagieren wie seinerzeit die Fans von Hannover 96." Sie hatten dem Präsidenten Morddrohungen zukommen lassen.

Die Leidenschaft eines Multitalents für den Fußball

Hannover 96 Beim damaligen Drittligisten ist Utz Claassen 1997 für wenige Monate Präsident gewesen. Seine radikalen Sanierungspläne jedoch stießen auf großen Widerstand – unter den Spielern und unter den Fans. Am Ende begleiteten ihn Leibwächter ins Stadion.

Karlsruher SC Als Chef des Hauptsponsors EnBW sorgte Claassen 2005 dafür, dass der kurz zuvor eingestellte Trainer Reinhold Fanz wieder entlassen wurde. Fanz hatte Claassen einst in Hannover in einem Interview jeglichen Fußballsachverstand abgesprochen.

WM 2006 Weil Claassen als EnBW-Chef einige Politiker zu WM-Spielen eingeladen hatte, ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung. Das Landgericht Karlsruhe sprach den Manager frei.