Vom Lackierer zum Porsche-Betriebsratschef – ein Buch beschreibt Uwe Hücks Leben mit Brüchen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Wenn Uwe Hück vor seinem Anhang bei Porsche redet, dann schwellen die Adern an, das Blut schießt in den Kopf. Dann schreit und polemisiert der Konzernbetriebsratschef, dass es eine Art hat. Hin und wieder wird er in eine politische Talkshow geladen, um Leben in die Runde zu bringen. Dann gerät ihm der Satzbau durcheinander, die Metaphern holpern. Doch kennt er keine Scheu vor „hohen Tieren“ und traut sich sogar selbst noch einen Wechsel in die Politik zu.

 

Hück ist die schillerndste Figur der Gewerkschaftsszene, eine Ein-Mann-Schau. Seine marktschreierische Art wird gerne belächelt, doch die Porsche-Belegschaft schätzt ihn, weil er so viel für sie herausholt bei den Bossen. Selbst Ingenieure reden mit Respekt über den 50-Jährigen, der im Zwiegespräch ausgesucht nett auftritt.

Die Autobiografie „Volle Drehzahl“

Um sein Verhalten zu begreifen, muss man Details aus der Kindheit kennen, die er in einem neuen Buch detailliert schildert. „Volle Drehzahl“ lautet der Titel des Werks, das von Dienstag an im Campus-Verlag erhältlich ist. Autor ist der altgediente ZDF-Sportreporter Thomas Wark – was nichts damit zu tun hat, dass Hück die Autobiografie erstmals am Dienstagabend bei „Markus Lanz“ präsentiert.

„Es gibt keine Geburtsurkunde, die mir verraten könnte, wer ich wirklich bin“, berichtet Uwe Hück. Er sei sich nicht einmal sicher, ob der 22. Mai sein Geburtstag sei. Hück ist als Waise im Kinderheim Sperlingshof nahe Pforzheim aufgewachsen, nachdem die Eltern bei einem Unfall getötet wurden. Er teilte das Schicksal mit zwei seiner drei Brüder – „doch Geschwisterliebe hatte keinen Platz in dieser Notgemeinschaft, in der jeder seinen eigenen Kampf zu bestehen hatte“. Weit später, 1990, hörte er vom Selbstmord seines Bruders Detlef.

In drei Einrichtungen erfuhr er die ganze Aggression des Heimlebens. Die Pädagogik bestand aus Erniedrigung und Bestrafung. Erzieherinnen „hauten dir mit dem Lineal oder der Hand auf deinen kleinen Stolz da unten“, schildert Hück. „Sie bläuten dir ein, wie unanständig es sei, eine Erektion zu haben.“ An den „Rest“ könne er sich nicht erinnern. „Es ist verdrängt.“

Doch die harte Kindheit und Jugend stärkte seine Überlebensinstinkte; er begann, sich hoch zu boxen. Ein Malerbetrieb stellte ihn als Lehrling ein, zudem trainierte er jede freie Minute asiatische Kampfsportarten. Thaiboxen, das ein hohes Maß an technischen Fähigkeiten verlangt, wird sein „Ding“. „Ich lernte schnell, ich brannte, ich lechzte nach Erfolg.“ So wurde Hück Berufsboxer und zweifacher Europameister. Doch Rückschläge blieben nicht aus. Sein Manager, ein Freund, betrog ihn. Weil Hück aber Geld benötigte, um an der Weltmeisterschaft in Thailand teilzunehmen, heuerte er als Autolackierer bei Porsche an.

Auf Augenhöhe mit den Porsches und Piëchs

Von da an nahm die Arbeitnehmerkarriere ihren Lauf: Der frühere Sonderschüler stieg auf vom Vertrauensmann bis zum stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Porsche AG – auf Augenhöhe mit den Porsches und Piëchs, mit Wiedeking und Winterkorn. Die wechselhafte Nähe hat er stets zu nutzen gewusst – nicht unbedingt für sich, eher für die Belegschaft.

Ende der siebziger Jahre kamen die „Boat people“. Hück kümmerte sich um die vietnamesischen Flüchtlinge und lernte so seine Frau Phuong kennen. Quasi mit der Heirat adoptierte der Buddhist zwei junge Vietnamesen. 1995 kam dann der gemeinsame Sohn Vincent zur Welt. Hück nennt Gerhard Schröder ebenso einen Freund wie den Komiker Bülent Ceylan und den Sänger Udo Lindenberg. Doch seine Welt sind die Benachteiligten, für die er ein großes Herz zeigt. Seinen Anteil am Bucherlös will Uwe Hück „zu 100 Prozent“ dem Sperlingshof und der Respekt-Initiative gegen Rassismus spenden – das passt zu ihm, den Schreihals der IG Metall.