Dörthe Jakobs mag die volkstümlichen Wandmalereien der Veitskapelle in Mühlhausen sehr – sie hat deren Restaurierung geleitet, die im Februar dieses Jahres abgeschlossen wurde. Wir schauen uns Jakobs’ Arbeit näher an.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Seit die Menschen in Mühlhausen ihre wundervolle Veitskapelle wiederhaben, gehört das Frieren zum Gottesdienst, selbst heute Abend bei der Christmette: Denn es darf seit der Sanierung der Kirche höchstens auf zwölf bis 14 Grad geheizt werden, damit die mittelalterlichen Wandmalereien keinen Schaden nehmen. Auch der Restauratorin Dörthe Jakobs, die sechs Jahre lang in der Veitskapelle gearbeitet hat, ist beim jetzigen Vororttermin kalt. „Aber das macht nichts“, sagt sie lachend: „Für die Veitskapelle friere ich gerne.“

 

Ihre Tätigkeit ist seit einem knappen Jahr beendet, aber ihre Leidenschaft für die Kirche hält an; das spürt man aus jedem ihrer Sätze. Die Kirche, um 1380 erbaut, sei mit ihren Wandmalereien aus dem 14. und 15. Jahrhundert, die dem Bildersturm der Reformation entgangen waren, ein einzigartiges Kunstwerk. Der Erhaltungszustand der Bilder sei fantastisch, denn kaum jemand habe in all den Jahrhunderten versucht, etwas zu verschlimmbessern. Und die Szenen aus dem Leben des heiligen Veit und der Maria seien plastisch und volkstümlich erzählt. Auf einem Bild sieht man zum Beispiel den Vater Veits, der diesem den Hintern versohlt, weil Veit nicht von seinem christlichen Glauben ablassen will.

Bis zu 20 Restauratoren waren gleichzeitig auf der Baustelle

Und ja, doch, auch in ihrem Leben als Restauratorin war die Veitskapelle ein Höhepunkt, räumt Jakobs unumwunden ein: „Diese Aufgabe war so außerordentlich, weil sie so komplex war und weil ganz viele hoch qualifizierte Menschen im Team zusammengearbeitet haben.“ Teilweise haben bis zu 20 Restauratoren verschiedener Fachrichtung gleichzeitig vor Ort gearbeitet. So hat man außen den Putz aus den 1960er Jahren ganz abnehmen müssen und hat ihn durch einen Kalkputz nach mittelalterlicher Rezeptur ersetzt. Die Gewölberippen im Chor hatten sich gelöst und mussten neu gesichert werden. Es gab eine archäologische Grabung.

Und natürlich mussten die Malereien selbst saniert werden. Die Restauratoren haben Verschmutzungen entfernt. Wo sich die Malschicht gelöst hatte, haben sie mineralische Klebemittel injiziert. Und vor allem kämpften sie gegen Schimmelsporen. Denn in den 1970er Jahren hatte man doch einmal gepfuscht: Damals war es ein gängiges Verfahren gewesen, Malereien auf Kirchenwänden mit Brotkrumen zu reinigen – doch in Wirklichkeit bereitete man nur einen idealen Nährboden für Pilze. „Ich denke, dass die folgenden Generationen anders über unsere Arbeit reden werden“, hofft Dörthe Jakobs.

1000 Kilometer fährt sie wöchentlich quer durchs Land

Wenn die Restauratorin ins Erzählen kommt, reist sie in Gedanken durch das Land. Denn ihre Abteilung im Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen, die zuständig ist für die Restaurierung, gilt als Querschnittsreferat: Sie berät Kollegen und arbeitet deshalb immer an und auf vielen „Baustellen“ gleichzeitig. Rund 1000 Kilometer fährt sie wöchentlich kreuz und quer durch Baden-Württemberg. Derzeit ist sie oft in der ehemaligen Zisterzienserabtei Salem, in der spätkarolingischen St. Georgs-Kirche auf der Reichenau, im ehemaligen Siechenhaus in Geislingen oder in der Kilianskirche in Mundelsheim. Nach einem Acht-Stunden-Tag hört sich das nicht an, und da fällt es schon wieder, das Wort Leidenschaft: „Ohne geht es nicht.“

Daneben gehört wohl Durchhaltevermögen zu den herausragenden Eigenschaften von Dörthe Jakobs. Denn die gebürtige Kölnerin wusste schon mit 16 Jahren, dass sie einmal Restauratorin werden möchte, aber es dauerte lange, bis sie ans Ziel gelangte. Als Jugendliche lebte sie zwei Jahre lang mit ihren Eltern in Rom, und an mancher Kirche sah sie das Schild ‚Chiuso per restauro – Geschlossen wegen Restaurierung’. Es war ein Geheimnis für sie, was hinter den verschlossenen Kirchentüren geschah; ein Geheimnis, das sie unbedingt lüften wollte.

Doch es folgte ein Zickzackweg. Da die Ausbildungsplätze als Restauratorin schwer zu bekommen waren, studierte Dörthe Jakobs zunächst Archäologie in Heidelberg, machte dann die Lehre in Florenz, schrieb sich nach der Wende in Dresden ein und promovierte über die Reichenau. Dass es sie am Ende nach Baden-Württemberg verschlagen hat, sieht sie als Glücksfall: „Dies ist ein unglaublich faszinierendes Kulturland“, sagt sie.

Viele Spender und Helfer haben die Sanierung ermöglicht

Bei der Restaurierung der Veitskapelle haben viele Menschen an einem Strang gezogen, die Pfarrerin Charlotte Sander, der Förderverein, die Denkmalpflege und viele Spender. Es sei tatsächlich etwas Besonderes, in einer solchen Gemeinschaft tätig zu sein, sagt Dörthe Jakobs. Und es sei etwas Besonderes, an einem Kunstwerk zu arbeiten, das fest mit einem Gebäude verbunden ist und deshalb nicht einfach unter klinischen Bedingungen im Museum restauriert werden könne. Das mache die Aufgabe schwierig, aber auch spannend.

In einem jedenfalls ist sich Dörthe Jakobs sicher: „Meine Faszination für diese Arbeit wird nie erlöschen.“

In der Serie „12 aus 13“ stellen wir Menschen vor, die mit den Geschehnissen des jeweiligen Monats in 2013 eng verbunden sind.

Was im Februar 2013 noch passierte

2. Februar Die Stadtwerke Stuttgart öffnen ihr Kundenzentrum unterm Tagblattturm: Von sofort an können Stuttgarter von den Stadtwerken Strom und Gas beziehen. Die Nachfrage ist allerdings nicht zufriedenstellend: Nach einem Monat sind erst 2000 Bürger gewechselt – die angepeilte Zahl von 30 000 Kunden bis Jahresende wird illusorisch.

7. Februar Der Einsatz der neuen S-Bahnen vom Typ ET 430 im Laufe des Jahres steht auf der Kippe, da die Zulassung nicht vorliegt. Als die Bahnen schließlich im Sommer doch zum Einsatz kommen, gibt es wegen der Ausklapptritte immer wieder erhebliche Störungen. Alle Züge müssen zuletzt wieder aus dem Verkehr gezogen werden – es ist ein neues Kapitel der Stuttgarter S-Bahn-Krise.

20. Februar Das Dezernat für Organisierte Kriminalität der Stuttgarter Polizei führt eine Großrazzia durch. 17 von 42 Objekten wie Wohnungen, Geschäftsräume oder Gaststätten, befinden sich in Stuttgart. Fünf Männern wird vorgeworfen, Steuern in Millionenhöhe hinterzogen zu haben, indem sie Spielautomaten so umprogrammierten, dass die von diesen erstellten Belege über die Einnahmen, geringere Summen auswiesen als tatsächlich eingenommen.

23. Februar Der Baustart für ein neues Zentrum der Suchthilfe an der Kriegsbergstraße 40 ist erfolgt. Die Stadt investiert dafür 2,5 Millionen Euro, die Eröffnung soll im Februar 2014 sein. In der lange geplanten Einrichtung soll das synthetische Heroin Diamorphin an Schwerstabhängige abgegeben werden. Das Zentrum hat 50 Plätze