In der Reihe „Generation.Konflikt“ des Schauspiels Stuttgart und der Robert-Bosch-Stiftung diskutieren Menschen verschiedener Generationen über die Liebe und romantische Beziehungen. Die Ansichten könnten nicht unterschiedlicher sein.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Über Jahrhunderte hinweg war klar, was eine romantische Beziehung ist. Ein Mann, eine Frau – und sie sind zu zweit. Andere Beziehungsformen waren gesellschaftlich nicht akzeptabel. In den letzten Jahrzehnten begann sich dieses Konstrukt aufzulösen. In der vierten Ausgabe der Gesprächsreihe „Generation.Konflikt“ des Schauspiels Stuttgart und der Robert-Bosch-Stiftung diskutierten Menschen verschiedener Generationen im Foyer des Kammertheaters über die Liebe und wie das Spektrum von Liebe und Beziehungen heute aussieht.

 

Eltern sind oft nicht die Beziehungsvorbilder

Unter dem Titel „Love is a bourgeois construct“ ging es um die Fragen: Ist die Liebe ein bürgerliches Konstrukt oder nur unsere bisherigen Beziehungsformen? Wer prägt unsere Art, wie wir Beziehungen führen? Sind es unsere Eltern? Ist es die Gesellschaft? Oder Filme und die Literatur?

Klar war schnell: Die Ansichten der drei Gäste auf dem Podium könnten nicht unterschiedlicher sein. Für Wolfgang Schmidbauer (82), einer der renommiertesten Psychoanalytiker Deutschlands, ist Liebe etwas „Spezielles“, was er nur mit seiner Frau teile – allerdings mit seiner dritten. „Meine Frau habe ich mir ja ausgesucht, Kinder stoßen einem ja eher zu“, sagt Schmidbauer, der rund 40 Bücher über die Liebe und zu psychologischen Themen geschrieben hat. „Diese tiefe Verbundenheit, die wir teilen, hat eine spezielle Qualität, die man nicht einfach universalisieren kann.“

Die Ehe hält der Psychologe, der in München und am Ammersee lebt, trotzdem für ein „bürgerliches Konstrukt“, die eigentlich keinen staatlichen Schutz mehr benötige.

Die Leipzigerin Susann Dietzmann (43), in der Runde die Vertreterin der Millennials, lebt selbst seit Jahren polyamor „in erfüllenden langfristigen Beziehungen mit meinen Partnern und Partnerinnen“ und glaubt, „diese Bubble“ werde größer. Viele Menschen wünschten sich Beziehungsformen jenseits der heterosexuellen monogamen Zweierbeziehung.

Jüngere Generationen leben andere Beziehungsmodelle

Die systemische Therapeutin berät in ihrer Praxis anders lieben viele Menschen, die nicht monogame Beziehungen und Familienmodelle leben wollen. Sie störe oft die Hierarchisierung von Beziehungen, die viele unbewusst vornehmen: „Die Liebesbeziehung steht ganz oben, Freundschaften zum Beispiel werden aber ganz unten eingeordnet.“ Dabei könne man auch in Freundschaften Liebe erfahren.

Das sieht auch die Stuttgarterin Ida Liliom (25), Künstlerin und Queer-Aktivistin, so. Auch sie will sich bei ihren Beziehungen nicht mehr an klassischen Vorstellungen orientieren, wie dies ihre Eltern zum Beispiel getan haben. Sie glaubt zudem, die „Zweier-Keimzelle“ überlebe nicht mehr lange. Viele in ihrer Generation, vor allem im großstädtisch-akademischen Umfeld, seien sehr progressiv. „Und viele Jugendliche vom Land fliehen von dort, sobald sie 18 Jahren sind“, sagt Liliom, die den Verein Queerdenker Stuttgart mitgegründet hat. „Die wollen Beziehungsformen leben, die nicht mehr konservativ-patriarchal geprägt sind.“ Sie selbst heiratet bald ihren Freund, wünscht sich aber, mit ihm und Freundinnen Kinder gemeinsam zu bekommen und großzuziehen. „Ehe und Kinder sind fucking viel Arbeit für zwei“, sagt sie und erntet dafür viel Gelächter. Ein Zuschauer wiederum meint dazu, er frage sich sein Leben lang, was Liebesglück bedeute. Er habe aber festgestellt, dass Kinder „der Gamechanger“ seien und die Freiheit der Liebe doch stark begrenzten.