Bei den Fußballerinnen des VfL Kirchheim hagelt es Gegentore im Minutentakt. Warum selbst eine 0:31-Niederlage den Frauen des VfL Kirchheim nicht die Lust am Spiel genommen hat .

Kirchheim - Die Botschaft, auf die Fußball-Deutschland gewartet hat, kommt von einem kleinen Nebenplatz in Kirchheim unter der Teck. „Die Mädels haben Spaß. Sie wollen unbedingt weiterspielen“, sagt Petra Edelmann-Weber, die Spielleiterin des VfL Kirchheim. Spaß haben, weiterspielen wollen – das ist Sport!

 

Vorausgegangen war eine vernichtende 0:31-Niederlage gegen die SGM Filstal. Es war die 20. Niederlage im 20. Spiel für die VfL-Damen, bei einem rekordverdächtigen Torverhältnis von 0:250. Zum langsamen Mitschreiben: Null Tore geschossen und 250 kassiert. Und trotzdem steht die Spielleiterin nach der derben Heimklatsche gegen Filstal da und sagt: „Die Mädels haben Spaß. Sie wollen unbedingt weiterspielen.“ Das ist ganz großer Sport!

VfL-Coach mit Jobgarantie

Auch der Trainer, Angelo Docimo, macht weiter. Während andernorts Übungsleitern, die mit ihrer Mannschaft den Deutschen Fußballpokal geholt haben und die Punktspielrunde auf Platz drei abgeschlossen haben, der Stuhl vor die Tür gestellt wird, hat der VfL-Coach eine Jobgarantie. Nicht einmal nach dem Debakel gegen die SGM Filstal hat sein Trainerstuhl gewackelt. Da ist eher der gegnerische Trainer unter Druck geraten. „Ich glaube, der hat sich für seine Mannschaft geschämt“, sagt Petra Edelmann-Weber. Nachdem sich die Kirchheimer Torfrau so schwer verletzt hatte, dass sie ins Krankenhaus gebracht werden musste, haben die Gegnerinnen zum fröhlichen Scheibenschießen angesetzt. „Das war nicht eben die feine Art“, sagt Petra Edelmann-Weber rückblickend.

Während Thomas Tuchel, ehemals Borussia Dortmund, auf der gelb-schwarzen Taktiktafel elf Klötzchen nach Belieben hin und her schieben konnte, ist Docimo, immer noch VfL Kirchheim, schon froh, wenn er das Minimum von sieben Spielerinnen auf dem Platz hat. Immerhin muss er sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, ob er lieber auf die flache Raute mit dem zugehörigen 4-4-2 setzt oder doch lieber der Pressing-Variante mit einem gepflegten 3-5-2 den Vorzug gibt.

Viel z u oft hat er ein in keinem Lehrbuch zu findendes 6-0-0-System spielen lassen müssen. Vor der Torfrau ein Sechserriegel und dann den Ball nach vorn. Vorne hilft der liebe Gott, hat es zu Sepp Herbergers Zeiten geheißen. Der Adressat des Stoßgebets ist an der Fußballbasis schon lange nicht mehr allein zuständig. Ein Teil der Kirchheimer Fußballerinnen ist muslimischen Glaubens. Das allein hindert nicht am Toreschießen, wohl aber der Ramadan mit seinen strengen Fastenregeln.

Das Minimalziel lautet „90 Minuten durchhalten!“

„Ich spiele trotzdem“, sagt Fikriye. „Fiko“, wie sie von ihren Kameradinnen gerufen wird, ist mit 20 Jahren die Seniorin und Kapitänin einer Mannschaft, deren Durchschnittsalter bei 17 Jahren liegt. Fiko laboriert zwar noch an einer Verletzung, hofft aber, zum Saisonabschluss gegen den TSV Wendlingen II (Samstag, 3. Juni, 18 Uhr im VfL-Stadion an der Jesinger Straße) wieder fit zu sein. Mit ihr steigen die Chancen, dass die Mannschaft gegen Wendlingen das vom Trainer ausgegebene Minimalziel erreicht. „90 Minuten durchhalten!“

Da scheint vorsichtiger Optimismus durch. Nicht ohne Grund: Es geht aufwärts beim VfL. Beim 0:6 gegen den TB Ruit II hat sich die Niederlage schon in Grenzen gehalten, und zuletzt, gegen die TSG Salach, haben die VfL-Damen die ersten drei Tore der Saison geschossen – allerdings haben sie auch fünf kassiert. „Da waren wir erstmals komplett“, sagt der Trainer.

Vor diesem Hintergrund klingt die Aussage „Die Mädels haben Spaß. Sie wollen weiterspielen“ beinahe schon wieder wie eine Kampfansage.