Anfang des 20. Jahrhunderts kämpften strenggläubige Christen in den USA gegen das „Teufelszeug“ Alkohol. 1919 wurde die Prohibition ratifiziert. Die folgenden 13 trockenen Jahre veränderten das Land. Aber anders als gedacht.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

New York - Dass der Alkoholkonsum sich in den USA des 19. Jahrhunderts weit verbreitet hat, daran waren auch deutsche Einwanderer beteiligt. Sie hatten die Kunst des Bierbrauens mitgebracht, dazu kamen bessere Kühlmethoden und einfacherer Transport per Eisenbahn.

 

Aber je größer die Verbreitung, desto größer wurde auch der Widerstand: Vor allem religiöse Puritaner mit der alkoholfeindlichen Prohibition Party als politischem Arm bekämpften das Teufelszeug. Ihrem immensem Druck wurde am 16. Januar vor 100 Jahren stattgegeben: Die Prohibition wurde als 18. Zusatz zur Verfassung ratifiziert. Ein Jahr später trat das Verbot von Herstellung, Transport und Konsum von Alkohol in Kraft.

Männer gingen in die Kneipe und versoffen das Geld

Zuvor hatten bereits zahlreiche Bundesstaaten ihre eigenen Alkoholverbote erlassen. Ausnahmen gab es nur für religiöse und medizinische Zwecke, alles musste dokumentiert werden und wurde streng kontrolliert. Seit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg 1917 brauchte das Land seine Getreideproduktion auch dringend zur Nahrungsmittelversorgung. Die vielen deutschstämmigen Bierbrauer konnten so an der Produktion gehindert werden.

Die Prohibition sollte das Land vor moralischem und sozialem Verfall schützen. „Im 19. Jahrhundert war Alkohol ein wirklich großes Problem in diesem Land“, sagte Daniel Okrent, der das Buch „Last Call: The Rise and Fall of Prohibition“ über die Prohibition geschrieben hat. „Er wirkte sich destruktiv auf das Familienleben aus. Männer gingen in die Kneipen, versoffen das Geld für ihre Häuser, tranken so viel, dass sie am nächsten Tag nicht arbeiten konnten, schlugen ihre Ehefrauen, missbrauchten ihre Kinder. Das hat die Bewegung gegen den Alkohol losgetreten.“

Aber eine Nation mit damals bereits mehr als 100 Millionen Menschen ließ sich nicht so einfach trockenlegen. Vielerorts waren vorsorglich Vorräte angelegt worden, die Preise für heimlich erworbenen Alkohol stiegen und stiegen. Der Alkoholkonsum sei zu Beginn der Prohibition um schätzungsweise etwa 30 Prozent gefallen und dann immer weiter wieder angestiegen, sagt Experte Okrent.

Mit dem Alkoholverbot kommen die Gangster

Die Prohibition veränderte die USA nachhaltig, aber nicht so wie von den Puritanern erhofft. In erster Linie profitierten Gangster und Schmuggler, die die illegale Alkoholversorgung sicherstellten. Die Korruption und der Schwarzmarkt mit seinen geheimen Trinkstuben, Speakeasys genannt, brummten. Gangster wie Lucky Luciano, Meyer Lansky und Al Capone machten Karriere. Und das Trinkverhalten veränderte sich: Hatten Männer und Frauen früher meist getrennt voneinander getrunken, feierten sie in den Speakeasys nun gemeinsam.

Der Widerstand in der Bevölkerung wuchs und angesichts der steigenden Kriminalität und Korruption bald auch der in der Politik. Am 5. Dezember 1933 – nach rund 13 Jahren Trockenheit – hob der Kongress durch den 21. Verfassungszusatz die Prohibition in den USA wieder auf, auch weil aufgrund der Wirtschaftskrise Einnahmen aus einer Alkoholsteuer gebraucht wurden.

Die Folgen der Prohibition

Spuren hat die Prohibition in den USA bis heute hinterlassen. Immer noch gibt es beispielsweise in einigen Bundesstaaten sogenannte „dry counties“, trockene Bezirke, in denen kein Alkohol verkauft werden darf. „Die große Ironie der Aufhebung der Prohibition ist, dass es danach schwieriger wurde zu trinken“, erklärt Experte Okrent.

Während der Prohibition habe man einfach nur in ein Speakeasy gehen oder jemanden bestechen müssen. Danach aber seien mit der Wiedereinführung des legalen Alkohols auch zahlreiche Kontrollen und Beschränkungen wie ein Mindestalter eingeführt worden, von denen viele bis heute gelten.

Die Speakeasys sind inzwischen zurück – und gelten besonders in den Großstädten wieder als schicke und trendige Ausgehorte, gerne versteckt in Kellern, mit Alkohol aus Tassen und geheimen Passwörtern am Einlass. Das sei allerdings damals während der Prohibition anders gewesen, berichtet Okrent. „Es gab keine Passwörter in New York oder Chicago 1925 oder 1926. Wenn man einen Drink wollte, wusste man, wo man den bekommt. Der Mythos der Speakeasy-Kultur ist ein Produkt aus Hollywood und nicht aus der Prohibition.“

Trockene, halbtrockene und nasse Landkreise

Seit durch den 21. Zusatzartikel der US-Verfassung die Prohibition 1933 aufgehoben wurde, ist die Regelung bezüglich Alkohol den einzelnen Bundesstaaten oder jeweiligen Landkreisen (counties) überlassen. Je nachdem, wie rigoros der Verkauf von Alkohol dort reglementiert wird, werden „trockene“ (dry), „halbtrockene“ (semi-dry) und „nasse“ (wet) counties unterschieden.

In den vor allem an der Westküste gelegenen „wet“-Gebieten darf Alkohol fast uneingeschränkt verkauft werden. In „dry counites“ wie Texas, Louisiana, Kentucky oder Arkansas, geht man mit dem Konsum von Alkohol hingegen sehr streng um. So gibt es allein in Texas 25 von den insgesamt 254 Landkreisen, die den Ausschank von Alkohol strikt verbieten.

Amerika und der Alkohol heute

Mindestalter

In den USA gibt es ein national festgelegtes Mindestalter von 21 Jahren. Was bedeutet, dass ab diesem Alter der Erwerb und Konsum von Alkohol legal ist. Gastronomen drohen hohe Strafen bis hin zur Verlust ihrer Lizenz. Die Alkoholbestimmungen werden sehr ernst genommen. Häufig muss man eine ID (identity document – Ausweisdokumente wie Ausweis oder Führerschein) vorlegen.

Papiertüten

In der Öffentlichkeit zu trinken, ist verpönt, in manchen Landstrichen ist es sogar verboten. Bier oder Wein wird deshalb in kleine braune Papiertüten (small brown bag) verpackt und so getarnt.

Komasaufen

Die strengen Alkoholgesetze schränken den Alkoholkonsum aber keineswegs ein. Amerikaner unterscheiden sich hier nicht wesentlich von Europäern. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) trinken die US-Bürger ähnlich viel wie die Deutschen.

Für viele Jugendliche ist fast schon normal, mit einem gefälschten Ausweis an Alkohol heranzukommen oder sich von Älteren Hochprozentiges zu besorgen. So gaben in einer Umfrage 28 Prozent der Zehn- bis 20-Jährigen an, mindestens ein Mal wöchentlich Alkohol zu trinken. „Binge-Drinking“ – Saufen bis zum Umfallen – ist weit verbreitet.