Der Bayerische Rundfunk setzt die Region Franken auf die „Tatort“-Landkarte. Der Zuschauerliebling Fabian Hinrichs und die Ostberlinerin Dagmar Manzel bilden das neue Ermittlergespann.

Stuttgart - Kaum ist der neue Hauptkommissar aus dem Bahnhof herausgetreten, wird er schon zu einer Mordsache gerufen. Am Waldrand ist in einem Auto ein erschossener Mann gefunden worden, mit heruntergelassenen Hosen, die Beifahrertür war offen. Jetzt muss seiner ahnungslosen Witwe im Villenviertel Bescheid gegeben werden; im Institut des Uni-Professors gilt es Spuren zu sichern, die auf eine Verbindung zur Rüstungsindustrie hinweisen könnten, und dann ist da noch ein zwielichtiger Halbbruder, der befragt werden sollte.

 

Jede Menge Arbeit also, aber so ist das nun mal oft beim TV-Krimipersonal, weshalb sollte es Felix Voss, den es nach Nürnberg verschlagen hat, also anders ergehen? Der Hüne aus dem hohen Norden, dargestellt von Fabian Hinrichs, ist an diesem Sonntag zum ersten Mal gemeinsam mit der Hauptkommissarin Paula Ringelhahn, gespielt von der fabelhaften Ost-Berlinerin Dagmar Manzel, als Ermittlerduo im neuen Franken-„Tatort“ zu sehen (ARD, 20.15 Uhr). In der Folge „Der Himmel ist ein Platz auf Erden“ führte Max Färberböck Regie, unterstützt von Catharina Schuchmann verfasste er auch das Drehbuch.

Zu dieser Premiere führte eine längere Vorgeschichte. Nach zahlreichen vorausgehenden Diskussionen hatte der BR-Intendant Ulrich Wilhelm im Oktober 2012 angekündigt, dass künftig auch der nördlichste Bezirk des Freistaats, der sich in vielen Bereichen von den dominanten Oberbayern in die Mauerblümchen-Rolle gezwungen sieht, zur Sonntagabend-Primetime seinen Platz bekommen solle. Deshalb werden Ringelhahn und Voss nun einmal jährlich die knurrigen, seit 24 Jahren erfolgreich an der Isar amtierenden Münchner Kollegen Batic und Leitmayr ergänzen. Ihnen hatte Fabian Hinrichs einmal in der Folge „Der tiefe Schlaf“ als etwas naiver, und schließlich getöteter Gisbert Engelhart assistiert – und mit seiner melancholischen Komik beim Publikum soviel Anklang gefunden, dass ein Internet-Fanclub seine Wiederauferstehung forderte.

Zwischen Uffenheim und Dinkelsbühl, Rothenburg und Schwabach

Und nun ist der Ausnahmekünstler also an der Pegnitz gelandet, und soll den Fernsehzuschauern dadurch etwas deutlicher machen, dass sich der Freistaat sehr viel weiter ausdehnt als nur zwischen seinen Insignien Alpengipfel, Bergsee und Hofbräuhaus. Der neue „Dadord“, so die Macher, wolle einerseits „ohne folkloristischen Schmäh“ auskommen, andererseits aber auch ohne Dialekt-Fiasko wie kürzlich beim ZDF-Zweiteiler „Tannbach“, wo den Bewohnern des fränkischen Grenzdorfs eine Art Tegernseer Mundart angedichtet worden war.

Das Gebiet zwischen Uffenheim und Dinkelsbühl, Rothenburg und Schwabach soll in all seiner Unterschiedlichkeit gezeigt werden: „Dass Unterfranken etwas anderes ist als Mittelfranken erweist sich doch schon an der Frage Wein oder Bier, oder?“ erklärte die aus Bamberg stammende Eli Wasserscheid, die in der Reihe als erotisch aufgeschlossene Kommissarin Wanda Goldwasser aktiv ist. Sehr diplomatisch hat man sich beim BR deshalb dafür entschieden, in der Fiktion eine überregional ermittelnde Behörde fest in Nürnberg zu installieren, ihre Angestellten aber in der nächsten Folge bereits nach Würzburg ausschwärmen zu lassen, wo sich, wie in Erlangen, sowieso schon eine rechtsmedizinische Abteilung befindet.

Streit zwischen den einzelnen Gegenden dürfte es dadurch weniger geben, eine Wiedererkennbarkeit von Orten und Spezialitäten zu schaffen, wie sie beim „Tatort“ aus Münster oder Dortmund ja durchaus eine Rolle spielt, wird aber natürlich schwieriger. Diese beiden Aspekte dürften derzeit auch die „Tatort“-Verantwortlichen des SWR beschäftigen, die nach der Ankündigung, dass ihre Bodensee-Zweigstelle im Jahr 2016 geschlossen wird, mit zahlreichen Angeboten von Baden-Baden bis Ulm fast überfordert sind.

Kein „Schmunzelkommissar“ in Franken

Was aber wird dann das Typische an dem neuen Franken- „Tatort“ ohne festgelegte Ortsmarke sein? Von Nürnberg und Erlangen sieht man in der mit Personen und Motiven etwas überladenen Auftaktfolge nicht viel mehr Identifizierbares als den massiven Hauptbahnhof, der den neuen Hauptkommissar ausspuckt, Eisenbahnunterführungen, das Besserverdiener-Viertel Erlenstegen und das Hochhaus der Bundesagentur für Arbeit. Stattdessen gibt es endlose Kamerafahrten durch nächtlich erleuchtete Straßen, die irgendwo sein könnten.

Dialektal werden die Nord-Ostlichter in den Hauptrollen außer von Eli Wasserscheid auch noch durch die aus Hof und Fürth stammenden Sidekicks Andreas Leopold Schadt als Kommissar Fleischer, und Matthias Egersdörfer als Michael Schatz, den Leiter der Spurensicherung, ergänzt. Letzterer hat übrigens gerade in seinem Hauptberuf auf der Kabarettbühne den Deutschen Kleinkunstpreis 2015 verliehen bekommen. Die Franken sind ja nicht nur in Sachen Humor durchaus öfter mal vorne mit dabei, auch wenn das die Platzhirsche im Süden gerne herunterspielen. Schatz führt den Kollegen Voss im Film denn auch mit den schönen Worten „hier waren die Kaiser, da haben die sich die in München noch mit Knödeln beworfen“ in seine neue Heimat ein. Sehr viel mehr Witzeleien wird es nicht geben, einen „Schmunzelkommissar“, hatte Fabian Hinrichs, ein sehr reflektierter Mann, kürzlich angekündigt, wolle er in Franken nämlich nicht spielen.