Nach nur einem Jahr wirft die frühere Richterin am Bundesverfassungsgericht das Handtuch. Der starke Mann bei den Juristen ist Manfred Döss, der die Familien Porsche und Piëch hinter sich weiß.

Stuttgart - Das war ein kurzes Gastspiel. Die frühere Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt, die erst am 1. Januar 2016 bei Volkswagen das Vorstandsressort Integrität und Recht übernommen hatte, scheidet zum Monatsende aus. Die 66-Jährige, die vor dem Wechsel nach Wolfsburg in gleicher Funktion bei Daimler tätig war, geht den Angaben zufolge im gegenseitigen Einvernehmen; ungewöhnlich deutlich heißt es in der VW-Mitteilung aber auch, die Trennung erfolge „aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über Verantwortlichkeiten und die künftigen operativen Arbeitsstrukturen in ihrem Ressort“. Das klingt nach einem Streit über die Kompetenzverteilung.

 

Im Herbst 2015 wurde der Wechsel der Juristin von Stuttgart nach Wolfsburg noch fast wie eine Solidaritätsaktion von Daimler für den aufgrund des US-Abgasskandals bedrängten Konkurrenten vermeldet: „Daimler AG gibt Vorstand für Integrität und Recht frei für die Volkswagen AG“, war die Pressemitteilung überschrieben. Anders als in Stuttgart ist die Juristin, deren Nachfolge bei Daimler die 55-jährige Renata Jungo Brüngger antrat, bei Volkswagen auf ein eng begrenztes Spielfeld gekommen. In den ersten Wochen ihrer Tätigkeit bei VW reiste sie noch zusammen mit Einkaufsvorstand Francisco Javier Garcia Sanz in die USA, um dort mit den Behörden über die Bewältigung dessen zu sprechen, was in der VW-Sprache nur „Dieselthematik“ genannt wird. Bei der Bewältigung eines großen Brockens in diesem Skandal hat Hohmann-Dennhardt dem Vernehmen nach jüngst aber kaum noch eine Rolle gespielt: Die Verhandlungen mit dem US-Justizministerium über Strafen und Bußgelder in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar für VW führten Sanz – und vor allem Manfred Döss, der Leiter des Rechtswesens.

Manfred Döss hat die Eigner der Porsche Holding beeindruckt

Der 58-Jährige hat seinen Job ebenfalls am 1. Januar 2016 übernommen. Er war drei Jahre vorher vom RWE-Konzern zur Porsche Holding, dem VW-Mehrheitsaktionär, gekommen; zeitgleich mit der Bestellung in Wolfsburg wurde er bei der Porsche Holding zum Vorstandsmitglied befördert. Döss gilt als glänzender Jurist mit großem Durchsetzungsvermögen. Döss beeindruckte in Stuttgart die Eigner der Holding, die Familien Porsche und Piëch, mit Erfolgen bei der Bewältigung der juristischen Folgen des gescheiterten Versuchs von Porsche zur Übernahme von Volkswagen vor knapp zehn Jahren. Der Fall ist längst noch nicht abgeschlossen, aber Porsche hat bisher alle Prozesse gewonnen.

Hohmann-Dennhardt konnte bei Volkswagen auf Erfahrungen aus dem Aufbau einer Compliance-Organisation zur künftigen Verhinderung von illegalen Machenschaften bei Daimler zurückgreifen, nicht jedoch aus der Praxis des juristischen Alltags. Und die Verantwortung für die technisch-rechtliche Seite der „Dieselthematik“ hatte Sanz – was Hohmann-Dennhardt bei ihrem Wechsel zu Volkswagen offenbar nicht wusste. So ist sie in Wolfsburg auch gleich mit dem Vorschlag gescheitert, den früheren FBI-Direktor Louis Freeh, mit dem sie bereits bei Daimler zusammengearbeitet hatte, als Berater zu engagieren. Mit den konzerninternen Ermittlungen zur Aufarbeitung des Skandals hat VW die US-Anwaltskanzlei Jones Day beauftragt.

Die Nachfolgerin war bis vor einem Jahr bei ZF

Wie weit die Juristin mit der Bildung von Einrichtungen für ein künftig regel- und gesetzeskonformes Verhalten gekommen ist, ist offen. Sie selbst hat noch im Dezember vorigen Jahres die Probleme beschrieben, die in einem Konzern wie VW mit seinen vielen Marken auftreten können. „Im Rechtswesen und in der Compliance“, so hat sie dem Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ gesagt, „können wir nicht mit zwei Stimmen reden“; Chef des Rechtswesens ist – siehe oben – Manfred Döss. Und: „Wenn Audi und Volkswagen ein gemeinsames Problem haben, kann das Vorgehen nicht auseinander gehen, sonst verlieren wir Glaubwürdigkeit.“

Hohmann-Dennhardt hatte es sich auch zur Aufgabe gemacht, den Gründen auf die Spur zu kommen, weshalb es überhaupt zu dem gigantischen Betrug hatte kommen können. „Wie kam es dazu, die Software zu installieren und das so lange laufen zu lassen? Warum ist das nicht früher ans Tageslicht gekommen? Welche Rolle spielte die Angst, bei einem Problem nicht weiterzukommen? Welchen Beitrag haben die Belohnungssysteme geleistet? Wie ist das Verhältnis von Führungskräften zu Mitarbeitern?“, lauteten einige der Fragen, die sie sich stellte (ohne eine Antwort darauf zu geben). Womöglich ist sie bei ihren Fragen im Konzern nicht überall auf den rückhaltlosen Willen zur Aufklärung gestoßen.

Der VW-Aufsichtsrat hat mit der Trennung von Christine Hohmann-Dennhardt gleich die Neubesetzung der Ressortspitze beschlossen. Die Nachfolge tritt Hiltrud Werner an, die seit dem 1. Januar 2016 die Konzernrevision von VW leitet. Werner ist Diplom-Ökonomin und war bis zu ihrem Wechsel nach Wolfsburg Leiterin der Revision des Zulieferers ZF Friedrichshafen. Ihre berufliche Laufbahn begann die 50-Jährige nach dem Studium 1991 als Projektmanagerin bei Softlab. 1996 wechselte sie zu BMW, wo sie zuletzt Leiterin Finanzdienstleistungen in der Konzernrevision war. 2011 übernahm sie die Leitung der Revision bei MAN, 2014 wechselte sie zu ZF.