Zum ersten und einzigen Vagabundenkongress kamen mehrere hundert Teilnehmer nach Stuttgart. Der Stadthistoriker Ulrich Gohl stellt dies am 24. Oktober in Sonnenberg vor.

Lokales: Armin Friedl (dl)

Das Nachrichtenamt der Stadt Stuttgart hat die Presseorgane darum gebeten, auf den geplanten Vagabundenkongress in Stuttgart hinzuweisen, zumal bis zu 3000 Teilnehmer erwartet wurden. Doch die Bitte war vergeblich, es wurde darauf hingewiesen, die Resonanz war allerdings nicht sehr groß: Etwa 500 Personen wurden an den drei Tagen zu Pfingsten 1929 in der Stadt gezählt. Und so kam Stuttgart doch zu seinem Vagabundenkongress.

 

Spurensuche in Sonnenberg mit Peter Grohmann

Was waren das für Leute, was haben die hier gemacht? Der Stadthistoriker Ulrich Gohl hat darüber recherchiert, hat dazu auch einen Artikel im Stadtlexikon veröffentlicht. Und er berichtet darüber an diesem Dienstag von 19.30 Uhr an im evangelischen Gemeindezentrum Sonnenberg (Johannes-Krämer-Straße 2-4). Das macht Gohl auch deshalb in Sonnenberg, weil Gregor Gog, der Organisator dieses Kongresses, in jenen Jahren in Sonnenberg lebte. Und zur Verstärkung holt Gohl noch einen weiteren Sonnenberger hinzu: Den Publizisten und Kabarettisten Peter Grohmann, der Auszüge aus den Schriften von Gog vorstellt.

Heute weiß man, dass Gog an der jetzigen Adresse Im Betzengaiern 3 gelebt hat. Damals gab es keine Erwähnung im Adressbuch, weder auf das Haus noch auf den Bewohner. Entsprach das Gebäude so gar nicht den Wohnvorstellungen oder wollte man so einen unbequemen Menschen verschweigen? Um auszuloten, was in dieser Stadt so möglich ist, hat am 14. April 1928 im Gewerkschaftshaus in der Esslinger Straße ein musikalisch-literarischer Abend stattgefunden, unter anderem hat jemand mit dem Pseudonym Tyll selbst verfasste Texte vorgetragen. Das war Josef Eberle, der spätere Gründer und langjährige Herausgeber der Stuttgarter Zeitung. Kurz darauf gründete Gog mit den Malern Hans Tombrock und Hans Bönninghausen die Künstlergruppe der Bruderschaft der Vagabunden. Und als ersten Programmpunkt des Kongresses eröffneten die eine Ausstellung im Kunsthaus Hirrlinger in der Gartenstraße, heute Fritz-Elsas-Straße. Der eigentliche Kongress fand dann im Garten der Freidenkerjugend nahe der heutigen Kunstakademie auf dem Killesberg statt.

Dem Kommunismus nahestehend

Wer waren die Teilnehmer? Das waren Angehörige der Wandervogelbewegung, Künstler, Intellektuelle als Schwärmer aus der hiesigen Bohème, Obdachlose aus realer Not heraus, politische Agitatoren. Damals dauerte es nicht mehr lange, bis die Nazis die Macht übernahmen. Die Menschen, die hier in Stuttgart teilnahmen und sympathisierten, sollten von den kommunistischen Idealen überzeugt werden, doch deren politisches Engagement war nicht ausgeprägt. Der Kongress, die Vagabundenbewegung an sich, blieb letztlich folgenlos. Gog floh 1934 nach Moskau, Anfang der 1940er Jahre musste er zum Arbeitseinsatz nach Usbekistan und Kasachstan, dort starb er 1945.