Die Orthopädische Klinik in Markgröningen wehrt sich gegen den Vorwurf, sie habe für eine Operation unrechtmäßig Geld von einem Patienten kassiert. Die Unterlagen allerdings erhärten den Verdacht.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Markgröningen - Ein Prozess am Heilbronner Sozialgericht um die Kosten einer Spezialoperation an der Orthopädischen Klinik Markgröningen (OKM) schlägt hohe Wellen. Ein Zimmermann aus Bretzfeld (Hohenlohekreis) hatte dabei seine Krankenkasse verklagt, weil diese zwar die Operation, nicht aber eine Spendersehne bezahlt hatte, die dem Mann eingepflanzt worden war. Bei der Verhandlung ist auch die Frage aufgetaucht, ob die OKM die Operationsleistungen nicht korrekt abgerechnet und möglicherweise „getrickst“ hat. Nach den Recherchen der Stuttgarter Zeitung erhärtet sich dieser Verdacht.

 

Die Klinik forderte für die Spezial-OP Geld vom Patienten

Der Vorsitzende Richter hatte bei dem Prozess am Dienstag bereits angedeutet, dass die Vorgehensweise des Klinikums womöglich rechtswidrig gewesen sei. Fakt ist, dass die OKM für die Operation zwei Rechnungen gestellt hat: eine für die Kasse des Patienten und eine weitere für eine privatärztliche Leistung, die der 29-Jährige selbst beglich. Unterlagen deuten darauf hin, dass die zweite Forderung unberechtigt war – die OKM also Geld von dem Mann verlangte, das ihr nicht zustand.

Es geht lediglich um einen Betrag von 1350 Euro, aber der Fall wirft ein Schlaglicht auf völlig unübersichtliche Abrechnungsmodalitäten im Gesundheitswesen. Ausgangspunkt war eine Operation im November 2010. Nachdem ein erster Eingriff in einem anderen Krankenhaus gescheitert war, wendete sich der Zimmermann an die OKM. Sein Knie war massiv geschädigt, der 29-Jährige arbeitsunfähig. Der Chefarzt in Markgröningen rettete das Gelenk, indem er die Spendersehne einsetzte. Die Operation verlief erfolgreich. Der Haken: vor dem Eingriff hatte der Patient eine Vereinbarung mit der OKM unterschrieben, die ihn verpflichtete, für die Chefarztbehandlung 1350 Euro zu zahlen. Das ist zunächst einmal legal. Wer extra vom Chefarzt operiert werden will, muss extra zahlen. Vor Gericht allerdings erklärte der Patient, ihm sei suggeriert worden, dass er keine andere Wahl habe, als sich an den Kosten der OP zu beteiligen.

Die OKM wehrt sich gegen die Vorwürfe

Die Klinik streitet das vehement ab. Der 29-Jährige hätte sich jederzeit auch von Oberärzten der Abteilung operieren lassen können, sagt Olaf Sporys, der OKM-Regionaldirektor. „Dann wären für ihn keine Kosten angefallen.“ Doch er habe auf eine Behandlung beim Chefarzt bestanden.

Diese Aussage erscheint fragwürdig. In einem Schreiben an den Anwalt des Patienten, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt, erklärte der Chefarzt im Mai 2011: „In meiner Abteilung führe ausschließlich ich selbst diese Operation durch.“ Woraus sich im Umkehrschluss ableiten lässt, dass der Patient nur zwei Möglichkeiten hatte. Er zahlt und wird operiert. Oder er zahlt nicht und wird auch nicht operiert – von niemandem. Das jedoch wäre nicht zulässig. Denn dass die OP medizinisch notwendig war, ist unstrittig. Der Mann nahm einen Kredit auf, unterschrieb den Vertrag und zahlte.

Zusätzlich übernahm die Krankenkasse des Mannes, die IKK Classic, eine Fallpauschale in Höhe von 3300 Euro für die OP, der Betrag richtet sich nach dem DRG-Katalog, einem Klassifikationssystem im Gesundheitswesen. Mit diesem Geld jedoch können vor allem Kliniken, die seltene und komplizierte Spezialoperationen übernehmen, oft nicht kostendeckend arbeiten. Und in diesem Fall kamen noch die Kosten für das Spendermaterial hinzu.

Daraus lasse sich nicht ableiten, dass man rechtswidrig versucht habe, Geld von dem Patienten zu bekommen, sagt Sporys. Er bleibe dabei: Es habe sich um eine privatärztliche Leistung gehandelt. Mit den zusätzlichen Kosten für die Spendersehne habe das alles nichts zu tun.

Der Zimmermann verklagte seine Kasse, nicht das Krankenhaus

Auch daran sind Zweifel angebracht. Der Chefarzt hatte vor der OP noch versucht, mehr Geld zu bekommen. „Wir bitten um Kostenübernahme im Rahmen der Fallpauschale plus Kosten für die Spendersehnen von 2500 Euro“, erklärte er der IKK. Doch die Kasse lehnte es ab, auch die Sehne zu finanzieren. Auf Basis des Ablehnungsbescheids entschied das Sozialgericht, dass die IKK dem Patienten die 1350 Euro erstatten muss. Die Versicherung hätte den Mann besser beraten müssen, so die Richter. Ob diese Abrechnungsmethoden „Einzelfälle sind, wissen wir nicht“. Die IKK prüft nun, ob sie in Berufung geht. Zudem kann die Kasse versuchen, sich das Geld von der Klinik zurückzuholen. Die OKM betont, der Patient habe sich nie über die Kosten für die OP beschwert. Das jedoch mag einen nachvollziehbaren Grund haben. „Wir haben entschieden, uns vor Gericht lieber mit der Krankenkasse zu streiten“, sagt der Anwalt des 29-Jährigen. Schließlich sei die gute Beziehung zu der Klinik für seinen Mandanten wichtiger, zumal die Ärzte in Markgröningen so gute Arbeit geleistet hätten.