Seit anderthalb Jahren erwehrt sich die Ukraine einer von Söldnern unterstützten Invasion Russlands. Künftig muss die Privatarmee Wagner ohne ihren bekanntesten Anführer auskommen, der eine Meuterei gegen Kremlchef Putin wagte. Wie werden Prigoschins Truppen reagieren?

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Zwei Monate nach seiner rätselhaften Meuterei gegen die russische Staatsmacht ist der Söldnerführer Jewgeni Prigoschin nach einem Flugzeugabsturz in Russland für tot erklärt worden. Der Telegram-Kanal Grey Zone, den Prigoschin zur Verbreitung seiner Videos nutzte, meldete am Mittwochabend (23. August) den Tod des Chefs der Privatarmee Wagner. Die Luftfahrtbehörde Rosawiazija veröffentlichte eine Passagierliste, auf der unter anderen Prigoschin und der offizielle Wagner-Kommandeur Dmitri Utkin standen. Alle zehn Insassen seien ums Leben gekommen, teilte der russische Zivilschutz mit. Eine amtliche Bestätigung oder eindeutige Belege für den Tod des langjährigen Vertrauten von Kremlchef Wladimir Putin gab es bis zum Donnerstagmorgen (24. August) nicht.

 

Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatten Prigoschin und die Kämpfer seiner Privatarmee Wagner eine große Rolle gespielt, insbesondere bei der verlustreichen Eroberung der Stadt Bachmut. Am Donnerstag ist es genau anderthalb Jahre her, dass Putin den Angriff auf das Nachbarland befahl. Die Invasion begann am 24. Februar 2022. Am Donnerstag ist auch der Nationalfeiertag, an dem die Ukraine ihre 1991 erklärte Unabhängigkeit feiert.

Wagner: Was ist das für eine Gruppe, deren Chef Prigoschin war? Und: Wer war Dmitri Utkin?

Jewgeni Prigoschin war Geschäftsmann und Chef der russischen Privatarmee Wagner. Bei dieser handelt es sich um eine militärische Einheit, die als extrem brutal bekannt ist. Der 62-Jährige Prigoschin galt bis zu Beginn seines gewaltsamen Aufstands als Vertrauter von Russlands Präsident Wladimir Putin.

Was hatte Jewgeni Prigoschin früher gemacht?

Bekannt war Prigoschin auch als skrupelloser Unternehmer mit krimineller Vergangenheit. Er und Putin kannten sich lange. Als der heutige Präsident noch in der St. Petersburger Stadtverwaltung arbeitete, soll er in Prigoschins Restaurant eingekehrt sein. Deshalb war der Russe, der mehrere Jahre wegen Raubs in Haft saß, auch als„Putins Koch“ bekannt.

Wer war Dmitri Utkin und was hatte er mit Richard Wagner zu tun?

Mit Beginn des Ukraine-Kriegs trat Prigoschin als Wagner-Chef immer mehr in Erscheinung. Offizieller Kommandeur war der ehemalige, 1970 geborene, Geheimdienstler Dmitri Utkin. Auf ihren Propagandavideos wird ein Porträt des deutschen Komponisten Richard Wagner (1813-1883) gezeigt. Als Zeichen seiner Bewunderung für dessen Musik trage Utkin den Kampfnamen „Wagner“.

Bis 2013 diente Utkin als Oberstleutnant im russischen Pskow, wo er Angehöriger der 2. Spezialaufklärungsbrigade des GRU war. Nach seiner Karriere im GRU – dem Zentralorgan des Militärnachrichtendienstes des russischen Militärs – ging er zum russischen Sicherheitsdienstleister „Moran Security Group“, der von Ex-Militärs betrieben wurde und unter anderem Schutz vor Piratenüberfällen auf See anbot.

Von 2014 an soll er aus Veteranen von Spezialeinheiten eine schnelle Eingreiftruppe unter seinem Kampfnamen „Wagner“ gegründet haben.

Auf unserer Karte sehen Sie, wo die Wagner-Gruppe weltweit aktiv ist:

Welche Rolle spielt der Einsatz im syrischen Bürgerkrieg?

„Moran Security Group“ gründete auch die Militärgruppe „Slawisches Korps“ und warb Freiwillige an, um in Syrien Sicherungsaufgaben zu übernehmen. Mit dem „Slawischen Korps“ ging Utkin als Kommandant einer eigenen Teileinheit nach Syrien, um das Regime von Präsident Baschar al-Assad zu verteidigen.

Nach schweren Verlusten löste sich die Einheit auf. Aus den Resten wurde dann schließlich die „Gruppe Wagner“ von Prigoschin und Utkin gegründet.

Seit wann ist die Existenz der Wagner-Gruppe offiziell?

Im Ukraine-Krieg spielte die Wagner-Gruppe bislang eine zentrale Rolle: Als Prigoschins und Utkins größter militärischer Erfolg gilt die blutige Eroberung der ostukrainischen Stadt Bachmut. Seine Männer sollen aber auch an dem Massaker in Butscha nahe Kiew beteiligt gewesen sein.

Prigoschin gab erst im September 2022 zu, dass die Söldnertruppe schon seit Jahren existiert. Angeblich wurde sie 2014 für den Einsatz auf russischer Seite im ukrainischen Donbass gegründet. Moskau hatte die Existenz der Kampftruppe jahrelang vehement bestritten. Im Westen gilt die Wagner-Armee als „Terrororganisation“, verantwortlich für Kriegsverbrechen auch in anderen Ländern wie Syrien und Mali.

Wie viele Mitglieder hat die Organisation?

Wie viele Mitglieder die Truppe hat, ist nicht gesichert. Ende vergangenen Jahres schätzte die US-Regierung, dass 50 000 Wagner-Kämpfer allein in der Ukraine stationiert waren. Prigoschin selbst sprach kürzlich von etwa 25 000 Mann. Nach dem Ende des Aufstandes gegen das Putin-Regime halten sich dieWagner-Söldner vor allm in Belarus und in Afrika auf. Ihre aktuelle Anzahl ist nicht bekannt.

Für den Ukraine-Krieg wurden Söldner auch unter Häftlingen rekrutiert, im Gegenzug für Straferlass. 32 000 Ex-Gefangene sollen so in Freiheit gekommen sein. Allein bei den Kämpfen um die ostukrainische Stadt Bachmut wurden Prigoschin zufolge etwa 10 000 frühere Häftlinge getötet.

Wo sind Wagner-Kämpfer im Einsatz?

Wagner-Kämpfer waren in Syrien, anderen arabischen Ländern sowie in Afrika und Lateinamerika im Einsatz, und sind es auch heute noch. Dort liegt eine von vielen Geldquellen: Wagner bietet skrupelloses Personal und Dienstleistungen. Im Gegenzug gibt es Geld und Rohstoffe wie Gold und Diamanten. In Russland verdient Prigoschin Geld mit der Essensversorgung beim Militär, aber auch in Schulen und Kindergärten.