Die neueste Unfallstatistik für den Bundesstraßenteiler bei Waiblingen zeigt nichts wirklich Erhellendes. Im Internet wird derweil heftig über die Überwachungsmaßnahme diskutiert.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Waiblingen - Geschwindigkeitskontrollen – das Thema bringt die Volksseele in Wallung. Zahlreiche Leser haben sich auf unserer Internetseite über eine Bilanz echauffiert, welche die Stadt Waiblingen unlängst ihren Gemeinderäten präsentiert hat: Die stolze Summe von fast 4,5 Millionen Euro ist im vergangenen Jahr über Bußgelder wegen Verkehrsverstößen in die Stadtkasse geflossen. Mehr als die Hälfte davon, rund 2,5 Millionen Euro, erlösten die beiden erst Ende Januar 2012 in Betrieb genommenen Säulenblitzer an dem Bundesstraßenteiler B 14/B 29. Dabei hätten, wie bei allen Verkehrsüberwachungsmaßnahmen, auch bei der Installation der modernen Geräte Sicherheitsaspekte im Vordergrund gestanden, hat der Waiblinger Ordnungsamtsleiter Werner Nußbaum betont. Wirtschaftliche Aspekte stünden da hinten an.

 

„Wie lüge ich mich reich?“

„Wie lüge ich mich reich?“, kommentiert das ein Internetschreiber, der sich „Coco“ nennt. „Wegelagerer nutzen abseits ihres Dorfes kleinste Unaufmerksamkeiten nach einem langen Arbeitstag aus und bereichern sich in ekelhafter Weise daran.“ Wenn wirklich keine wirtschaftlichen Aspekte eine Rolle spielten, könne die Stadt das Geld ja an soziale Zwecke spenden, empfiehlt „Tom“, während „SR“ die sarkastische Variante wählt: Tempo 30 und Poller wären wahrscheinlich das Beste.

Es gibt aber auch Stimmen, die nichts Anrüchiges an der Überwachung finden können. „Jeder hat es doch selbst im Griff, ob er ,abgezockt’ wird oder nicht“, schreibt ein Autor, der sich schlicht „Nicht-Abgezockter“ nennt: „Einfach an die Vorschriften halten.“ Und ein Kommentierer namens „Tensoval“ ergänzt: „Die allseits gefürchteten Raser und Drängler aus dem WN-Kreis trifft es genau richtig.“

Viel wird darüber diskutiert, ob die Tempobremsen tatsächlich die gewünschte Wirkung zeitigen. Ein „Berufspendler“ behauptet nämlich, dass die Verkehrssicherheit durch die Installation der Blitzer sogar verschlechtert worden sei, weil die Autofahrer „mehr auf ihren Tacho als auf die Straße“ schauten.

Die Unfallstatistik der Polizeidirektion Waiblingen kann diese Einschätzung weder entkräften noch bestärken, zumal aus dieser nicht explizit jene Unfälle hervorgehen, die auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen sind. Unterschieden wird lediglich in mit oder ohne Fremdverschulden. Erstere machen den überwiegenden Teil der Unfälle aus und deuten eher auf Probleme beim Spurwechsel hin. Nur ein Unfall im vergangenen Jahr ist wohl ganz eindeutig einem unangemessenen Tempo zuzuordnen: Am 1. Mai zerlegte ein 33-jähriger Mann einen Ferrari Testarossa in der Mittelleitplanke, nachdem er bereits im Kappelbergtunnel mit einer halsbrecherischen Fahrweise aufgefallen war. Insgesamt gab es am Teiler 2009 genau fünf Unfälle, 2010 doppelt so viele, 2011 lediglich 3 und im vergangenen Jahr immerhin 11. In den ersten drei Monaten dieses Jahres hat es nur einmal gekracht.

Der Polizeisprecher Klaus Hinderer allerdings wertet die jüngste Entwicklung pro Säulenblitzer. Zwar waren die insgesamt elf Unfälle 2012 im Fünf-Jahres-Vergleich rekordverdächtig, allerdings hätten sich zehn davon in der Zeit bis Juni ereignet. Hinderer interpretiert das mit einer gewissen Eingewöhnungsphase. Nach dem ersten halben Jahr würden die Blitzer nun als solche wahrgenommen. Dafür spreche auch, dass es in diesem Jahr in den ersten drei Monaten erst einmal gekracht habe. Allerdings, räumt der Polizeisprecher ein, müsse man die Sache wohl über einen längeren Zeitraum betrachten. Im Jahr 2011, lange vor der permanenten Geschwindigkeitsüberwachung am Teiler, hätten sich schließlich auch lediglich drei Unfälle im ganzen Jahr ereignet.

Die wahren Hintergründe für die bisher durchaus lohnende Investition der Kommune werden ohnehin von keiner Statistik entlarvt. Harald Berner empfiehlt in seinem Internetkommentar deshalb, die Wirtschaftlichkeitsrechnung einfach selbst zu Ungunsten der Bußgeldstelle zu beeinflussen: „Fahrt einfach nicht mit dem Auto oder stellt den Tempomat ein, dann klappt’s nicht mehr mit dem Geldsegen!“

Voll Bescheuert! – eine Glosse von Harald Beck

Waiblingen - Ja sind die denn alle voll bescheuert? Rasen quasi wie die absturzsüchtigen Lemminge zu Tausenden in diese streifsäuligen Blitzfallen. Als ob das Autofahren nicht schon teuer genug wäre. Fast 1,70 Euro der Liter – und vom Rest wollen wir lieber gar nicht reden. Da kann man, sollte man meinen, sich doch als sparsamer Schwabe so einen Blitzerstandort mindestens genau so gut einprägen wie die Sparmöglichkeiten bei Weckleskauf, neuer Hose, Blumenstrauß für die Herzallerliebste oder beim Essen. Pfeifendeckel, 1000 Dubbl wöchentlich, wir müssen es ja haben.

Und die andern, die Säulenaufsteller? Heiliger Strohsack. Nein, natürlich nicht wegen der millionenlastigen Geldschwemme fürs Stadtsäckel wird so ein 200 000 Euro günstiger Geldscheißer angeschafft, sagen die, sondern wegen der Sicherheit. Bremsklotz für Raser, und fast alle zahlen wegen fünf bis 15 Stundenkilometern zu viel. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Immerhin, wir in der Redaktion haben beschlossen, dass zumindest von uns kein Cent an die beutelschneidenden Säulenbesitzer fließt. Kein Cent!

Beziehungsweise: Wir hatten es beschlossen. Bis vorgestern. Heimfahrt aus Stuttgart abends um Elf. Heimelig dudelt die Musik aus dem Radio und versüßt ein bissle den langen und endlich bald beendeten Schafftag. Schläfert die Wachsamkeit ein und trübt vor allem den Blick auf den Tacho. Kappelbergtunnel, ein paar Kilometer noch. Da: Zack, der rote Blitz am Bundesstraßenteiler – grobe 115. Mein Gott, sind wir Autofahrer bescheuert.