Popsängerin Leony kann auch Glanz und Glamour. Sonst tanzen vor ihrer Bühne 20-Jährige – beim 61. Landespresseball tun’s quasi deren Eltern und Großeltern. Ein Wagnis war es, die 26-Jährige als Stargast einzuladen – doch die Rechnung geht auf.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Niemals sollte man Menschen nur auf Äußerlichkeiten reduzieren. Der Landespresseball, der sich nach drei Jahren Corona-Pause mit voller Wucht und mit viel Glanz in der Nacht zum Samstag zurückgemeldet hat, ist aber ein großes Schaulaufen. Man sieht, wie sich viele Ballfans (insgesamt sind 1600 gekommen) darüber freuen, dass es endlich wieder möglich ist, sich in Schale zu werfen und stilvoll das Leben auch in harten Zeiten zu genießen. Die Tanzfläche im Beethovensaal füllt sich rasch und reicht kaum aus, nachdem Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mit Annika Grah, Vorstandsmitglied der Landespressekonferenz, gekonnt den Eröffnungswalzer absolviert hat.

 

„Remedy“-Interpretin Leony, mit 26 Jahren der jüngste Stargast in der Geschichte des Stuttgarter Presseballs, trägt sehr sexy Glitzerstiefel, einen Minirock, ein funkelndes, transparetes Oberteil, und ihre Tänzerinnen lassen ihren blonden Mähne verführerisch wehen. Gut, soweit also die Äußerlichkeiten der Bühnenheros, die in der Liederhalle für Gesprächsstoff sorgen.

Viel wichtiger aber als Glanz und Glamour ist: Die Stimme des einstigen Jurymitglieds von „Deutschland sucht den Superstar“ ist richtig stark! Mit ihrer Band legt die Sängerin, die mit ihren Hits mehrfach in den Charts gelandet ist, eine heiße Show hin. Selbst von denen, die sie vorher nicht kannten – das dürften beim Altersschnitt des Ballpublikums die meisten sein –, sind sehr viele begeistert. Vor der Bühne wird es eng – so viele drängt es nach vorne. Etliche machen Videos mit dem Handy, die sie ihren Kindern schicken können.

Es war ein Wagnis, einen so jungen Stargast zum gesellschaftlichen Topereignis des Landes einzuladen, bei dem die meisten Gäste zwischen 50 und 70 Jahre alt sind. Doch mit dem Ball nach der langen Pause wollen die Veranstalter zeigen: Künftig werden sie einiges anders machen. Die Tradition soll in die Zukunft geführt werden.

Leony, die kürzlich laut „Stern“ einen „Hingucker-Auftritt“ bei der Operngala zugunsten der Deutschen Aids-Stiftung in Berlin hingelegt hat, kam zum ersten Presseball ihres Lebens (auch privat war sie noch nie auf einem) in Stuttgart, weil er eine Charity-Veranstaltung für Journalistinnen und Journalisten in Not ist. „Dass es ein Benefizball ist, war für mich der Ausschlag, dass ich zugesagt habe“, erklärt sie im Interview mit unserer Redaktion. Wichtig sei es ihr, „dass von dem vielen Glück, das ich mit meiner Musikkarriere habe, auch andere profitieren“.

Ihr Erfolgssong „Faded Love“ basiert auf dem früheren Sommerhit „Dragostea din tei“ mit dem berühmten „Maya-hiii“. Mit weiteren Hits wie „Somewhere in Between“ kommt die in Bayern lebende Leony weltweit auf 850 Millionen Streams. Nach ihrem umjubelten Auftritt beim Presseball freut sie sich sehr, dass ein für sie ungewohntes Publikum in festlicher Robe voll abgegangen ist.

Zu diesem Zeitpunkt befindet sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann bereits auf dem Heimweg. Nach seinem Walzertanz verabschiedet er sich in der Liederhalle und bittet um Nachsicht, dass er nach einem harten Arbeitstag mit 17 Terminen nun etwas Ruhe brauche. Doch sehr viele beweisen nach der langen Ballpause eine umso größere Kondition. Erst um halb vier Uhr in der Frühe gehen die letzten Gäste – Kunsthändler Frank Zimmermann geht mit einem 18-Karat-Ring aus Blattgold, der mit 59 Brillanten besetzt.

„Los Kelleros“ ziehen die Gewinnerlose

Zimmermanns neues Schmuckstück war eines der Hauptgewinne der Tombola, die der Schauspieler Mark Keller mit seinen Söhnen Joshua und Aaron (zusammen sind sie als „Los Kelleros“ tanzende Stars im Netz) ausgelost hat. Moderatorin Stephanie „Steffi“ Haiber überreicht dem Kunsthändler den funkelnden Damenring und sagt: „Da wird sich Ihre Frau aber freuen.“ Dieser gibt sich als Single zu erkennen. „Also meine Damen, halten Sie sich ran“, ruft Haiber. Etliche im Saal lachen. Denn Frank Zimmermann ist einer der queeren Charakterköpfe, die im Buch über das „bunte Stuttgart“ porträtiert worden sind.

Gaby Hauptmann erinnert sich an harte Zeiten als freie Journalistin

Wie hoch der Erlös des Balls ist, muss nun ausgezählt werden. „Viele waren sehr großzügig“, berichtet Simone Schüle, die Vorsitzende der Ballkommision erfreut. Von den VIP-Gästen seien tolle Spendensummen gekommen. Eintritt müssen diese nicht zahlen, werden aber in dem Anschreiben um Spenden gebeten. Die Schriftstellerin Gaby Hauptmann etwa habe dies getan und sich daran erinnert, dass sie vor vielen Jahren , bevor ihr Bestseller gelungen sind, als freie Journalistin auch mitunter in finanziellen Schwierigkeiten gesteckt sei. Der Erlös geht über die Pressestiftung an Medienschaffende in Not und deren Hinterbliebene.