Geht es nervigen Cookie-Aufklappfenstern im Internet bald an den Kragen? Die EU-Kommission will die Bannerflut eindämmen – und Google legt sich mit der Werbebranche an.

Digital Desk: Jörg Breithut (jbr)

Es ist das Jahr der Entscheidung für nervige Cookie-Banner, die jeder kennt, der in letzter Zeit eine Website geöffnet hat. Die Aufklappfenster legen sich quer über fast alle Internetseiten und fordern die Besucher auf, erst einmal Häkchen zu setzen, bevor es weitergeht. Mit der lästigen Dauerklickerei soll aber bald Schluss sein, wenn es nach der EU-Kommission geht. Die Idee: Die Cookie-Aufklappfenster sollen seltener ins Sichtfeld springen.

 

Dafür tüftelt die EU-Kommission gerade an einer freiwilligen Selbstverpflichtung für Onlineportale wie Google, Facebook und TikTok. Im April soll ein erster Entwurf fertig sein. In einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ hatte EU-Justizkommissar Didier Reynders unlängst erklärt, die Initiative sehe unter anderem vor, dass Cookie-Banner nur noch einmal im Jahr weggeklickt werden müssen. „Der Gebrauch von Cookies, um personenbezogene Daten zu verarbeiten, kann laut Gesetz nicht ohne die ausdrückliche Zustimmung der User erfolgen“, sagte Reynders. „Aber das bedeutet nicht, dass das Surfen im Netz am Ende eine lästige Angelegenheit werden darf.“ Wenn es nach Tobias Straub geht, dann wird es höchste Zeit, die Flut der Pop-Up-Fenster einzudämmen. „Cookie-Banner sind eine Seuche“, sagt der Professor für Wirtschaftsinformatik von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg im Gespräch mit unserer Redaktion. Das Problem sei, dass Webseiten sich nicht auf technisch notwendige Cookies beschränkten, die unter anderem abspeichern, was im Einkaufswagen bei Amazon liegt. Für solche Cookies sei rechtlich gar keine Einwilligung erforderlich, sagt Straub.

Die Werbe-Cookies seien das Problem, die das Surfverhalten aufzeichnen und Produktvorlieben speichern. Wer das so genannte Tracking verhindern will, der müsse oft lange Listen mit Hunderten Werbeanbietern durchscrollen. „Das liest niemand durch, außer vielleicht Datenschutz-Freaks.“

Laut EU führt die Bannerflut zu „Cookie-Müdigkeit“

Die Online-Banner sind zudem meist so gestaltet, dass möglichst viele Cookies akzeptiert werden. Grafische Tricks, so genannte Dark Patterns, verleiten Nutzer und Nutzerinnen dazu, Cookies erst gar nicht auszusieben. „Der Knopf zum Ablehnen ist im Dialog dann kleiner oder weniger prominent dargestellt“, sagt der Forscher aus Stuttgart. Mit einem Klick auf „Alle zulassen“ hingegen verschwindet das Fenster sofort. Die Folge: Seitenbesucher stumpfen immer mehr ab und akzeptieren aus Bequemlichkeit alles, um schneller die Website zu erreichen. Die EU-Kommission spricht von einer gewissen „Cookie-Müdigkeit“.

Straub weist allerdings auch auf den Nutzen der Softwareschnipsel hin. „Werbung hilft dabei, Angebote im Internet zu refinanzieren“, sagt der IT-Experte. „Das ist auch gut so.“ Wenn immer mehr Anbieter wegsterben, weil sie kein Geld verdienen, dann sei niemandem geholfen. „Aber wenn es so übergriffig wird, dass mich das Tracking ständig verfolgt, dann ist das eine ungünstige Entwicklung.“

Vor allem kostenlose Angebote im Netz finanzieren sich durch Werbung. Cookies spielen dabei eine wichtige Rolle: Anzeigen können exakt auf Zielgruppen zugeschnitten werden. Wer beispielsweise im Internet nach einem Stabmixer sucht, der bekommt die Küchengeräte auch in den Timelines sozialer Netzwerke angezeigt. Außerdem werden Alter, Geschlecht und Familienstatus ermittelt. Das Ziel: Werbung für Windeln soll wirklich nur Eltern angezeigt werben. Das erhöht die Chance, dass jemand auf die Anzeige klickt – und die Zielgruppe nicht völlig verfehlt wird.

Immer mehr Konzerne rücken allerdings die Privatsphäre der Kundinnen und Kunden in den Fokus. Apple hatte bereits vor drei Jahren dem Werbe-Tracking bei Apps einen Riegel vorgeschoben. Seither können iPhone-Nutzer selbst entscheiden, ob beispielsweise Facebook andere Apps auf dem Telefon abfragen darf, welche Werbung in der Timeline am besten passt. Diese neue Regel hatte einen Milliardenverlust für den Konzern von Mark Zuckerberg und andere Plattformen wie Twitter, Snapchat und YouTube zur Folge.

Google will Drittanbieter-Cookies aussperren

Doch selbst Google hat dem Werbe-Tracking den Kampf angesagt, obwohl der Konzern jedes Jahr rund 250 Milliarden Dollar mit Werbung umsetzt. Der Suchmaschinenkonzern will im Chrome-Browser die Cookies von Drittanbietern von September an schrittweise abschalten. Für Werbetreibende ist das eine bittere Pille. Schließlich ermöglichen solche Cookies, die Anzeigen maßzuschneidern. Weltweit geht es insgesamt um rund 700 Milliarden Euro, die jedes Jahr mit Onlinewerbung umgesetzt werden.

Die Werbebranche zeigte sich daher entsetzt, als die Pläne vor rund zwei Jahren angekündigt wurden. „Die Verbände machen geltend, dass Google hierdurch gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstößt“, teilten die Branchenvertreter damals in einem gemeinsamen Statement mit. Sie fürchten, dass der US-Konzern seine Marktmacht weiter ausbaut und Wettbewerber ausschließt. Google hält allerdings unbeeindruckt an der Idee fest, die IP-Adressen der Anwender zu verschleiern, um eine Nachverfolgung nahezu unmöglich zu machen.

Sollte Google damit durchkommen, dann könnte das nach Meinung von Tobias Straub wegweisend sein. Zwar ließen sich Drittanbieter-Cookies bei anderen Browsern wie Safari schon lange blockieren, sagt der Wissenschaftler. „Google hat allerdings die Marktmacht.“ Wenn Werbe-Cookies bei Chrome ausgesperrt werden, dann setze sich das Vorgehen vermutlich durch.

Ob zunächst Google oder die EU-Kommission die Cookie-Banner aus dem Netz vertreiben, bleibt abzuwarten. Bei den Plänen der EU ist Tobias Straub zumindest skeptisch. „Es wird sich zeigen, wie viel eine freiwillige Selbstverpflichtung wirklich bringt“, sagt der Forscher. Und man dürfe nicht vergessen, dass auch andere Technologien wie der Fingerabdruck des Browsers im Netz dazu missbraucht werden könnten, Nutzerinnen und Nutzer „im großem Stil zu tracken“.