... aber die Musik ist alles andere als Gedudel. White Daze bringen aufgefrischten Bluesrock in die sehenswerteste Konzertkneipe Stuttgarts.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Von Zeit zu Zeit muss man die Schleyerhalle auch mal Schleyerhalle sein lassen und schauen, was es in der Gegend sonst noch gibt. Mit etwas Recherche etwa in dieser Kolumne kommt man dann recht schnell auf das Danziger Stüble: eine Grenzlandkneipe unmittelbar an der Grenze zu Fellbach, laut Selbstbeschreibung gelegen in den "Elendsvierteln Stuttgarts", nach etwas prosaischerer Anschauung zwischen Wienerwald und grüner Wiese, außerdem und praktischerweise an der U1-Haltestelle Beskidenstraße. 

 

Früher gab es hier jedes Wochenende Fußballübertragungen. Nicht erst seit der VfB auch mal montags oder dienstags im Fernsehen kommt, dienen wochenends Konzerte als Frequenzbringer im holzgetäfelten Stüble. Die Spielautomaten hat der Betreiber stehen lassen, musikalisch wird hier meist laut gespielt, manchmal schräg, oftmals interessant - eine Van-Halen-Coverband VH1 findet hier ebenso Platz wie das Duo L€fta, das griechische Rembetika - also Underground-Songs im Stile der Dreißigerjahre - vorträgt. Wiener Indierock-Nachwuchs findet hier seine von Sitzbänken eingefasste Bühne und immer wieder spielen junge Bands aus der Gegend, die sich im mehr oder minder geschützten Raum ausprobieren können. 

Dieser Samstag ist wieder so ein Abend. Zu Gast ist die derzeit von Bühne zu Bühne gereichte Böblinger Band White Daze, die ihre Musik als "Heavy Bluesrock" bezeichnet, was den Nagel auf den Kopf trifft. Die Band gibt etwa die niederländischen Neo-Bluesrocker De Wolff als Referenz an, klingt aber stark nach den Originalen: Hendrix, Deep Purple, Yardbirds. Das gilt für ihre jüngst veröffentlichte EP, das gilt aber noch mehr beim Liveauftritt: ein Brett von einem Konzert, zumal die Band etwa wegen ihres Leslie-Verstärkers gut die Hälfte des Raumes einnimmt. So ein Gerät wiegt, nebenbei gesagt, mehr als 100 Kilogramm. Musikalisch stimmt da vom Arrangement über die fein abgestimmte Rhythmusgruppe bis zu ausufernden Gitarrensoli alles, und ein Moog-Synthesizer erweitert das auf der EP noch eher eng gefasste Klangspektrum.

Füße auf den Fensterrahmen

Der Besuch lohnt sich auch wegen der Urviecher, die in dieser Kneipe regelmäßig vorbeikommen. Am Samstagabend ist das etwa ein graubärtiger Herr, der lange nach dem Ende des Konzerts auf der Terrasse Platz nimmt, um über einem großen Glas Orangensaft lebhaft mit den anderen Gästen am Tisch zu diskutieren. Es sind auch die beiden Rockmusikfans, die das Konzert von der Terrasse aus verfolgen, die Füße auf dem Fensterrahmen legen und dazu eine Familienpackung Erdnüsse verdrücken. Ganz anders als etwa die Band sind diese beiden Besucher an diesem Abend durchaus angedüdelt.

Mike Schmid wiederum hatte sie alle schon vor der Linse: er ist nicht nur Fellbacher Musikszeneurgestein, Programmmacher und Band-Wohltäter im Danziger, sondern auch ein Dokumentar dieser irren Vorstadtkneipe und genauer Beobachter. Weil Schmid im Nebenberuf Social-Media-Beauftragter des Danziger ist, hat diese Kneipe die unterhaltsamste Facebook-Präsenz aller Konzertkaschemmen weltweit, wenn nicht sogar Stuttgarts. 

Vor der Linse hat Schmid ja nicht nur die Stamm- und Gelegenheitsgäste im Danziger, sondern auch die Musiker. Von seinem strategisch perfekt gewählten Stammplatz unmittelbar zwischen Band und Tresen filmt er fast das gesamte Konzert mit. Man fragt sich, wie das geht - aber am Vormittag nach einem jeden Danziger-Gig steht in aller Regel ein Video vom Vorabend online, das die Band in aller Regel bei einem ihrer besten Momente zeigt. Von White Daze beispielsweise findet sich jetzt das hier im Netz:


Das Video ist, wie man vielleicht merkt, extrem laut - ja, es rappelt gern mal im Stüble. Am Samstagabend kriegt man selbst vor der Tür noch genügend Lautstärke ab. Im Winter bleibt man dank Bollerofen trotzdem lieber drin, sollte aber nicht davon ausgehen, dass es ausreichen würde, die Klamotten zu lüften. Das Danziger ist eine Raucherkneipe, die das auch ernst meint.

Völlig unabhängig davon lohnt sich auch am kommenden Samstag (1. Oktober) ein Besuch im Stüble. Da ist die Band Grauer Mann Tanzt zu Gast, Hörproben gibt es auf der Website der Band. Der Eintritt ist wie immer im Danziger Stüble frei, aber seit kurzem hat ein Stammgast das Regiment an der Spendenbox übernommen. Er akzeptiert nur Scheine ...


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