Der Teufelszwirn ist eine parasitäre Schlingpflanze. Sie entzieht anderen Pflanzen alles, was sie zum Leben brauchen. Doch bei einer Pflanze muss sie passen: Die Kulturtomate erkennt den Feind und setzt effiziente Abwehrreaktionen in Gang.

Stuttgart - Windet sich der Teufelszwirn erst einmal um die Wildtomate, hat das Opfer meist schon verloren. Zwar sind die rund 200 bekannten Teufelszwirnarten ebenfalls Pflanzen, haben aber weder Blätter noch Wurzeln. Stattdessen bohren sie ihren Wirt an und saugen Wasser, Nährstoffe und ihren sonstigen Eigenbedarf einfach aus der Wildtomate oder einer der vielen anderen Pflanzenarten, an denen sie sich hochwinden. Stark geschwächt geht das Opfer dann nach einiger Zeit ein.

 

Teufelszwirn ist hierzulande auch unter dem Namen Kleeseide bekannt. Wo diese parasitäre Schlingpflanze auftritt, überwuchern ihre netzartige Gespinste die Nutzpflanzen auf Äckern und Feldern. Doch bei einer Pflanze beißt sich der Schädling die Zähne aus: die Kulturtomate. Sie erkennt den Feind und startet Abwehrreaktionen.

Der Teufelszwirn bleibt gegen die Tomatenpflanze chancenlos. Das potenzielle Opfer bildet an seinem Stängel ein korkartiges Gewebe, durch das die Saugrüssel des Teufelszwirns nicht durchdringen. Allerdings sollte die Kulturtomate vor einer solchen Abwehr erst einmal ihren Feind zuverlässig identifizieren. Schließlich bleibt der beste Panzer aus Kork nutzlos, wenn sich statt des Parasiten nur eine lästige Konkurrenz ohne Saugrüssel anlehnt.

Immunsystem gegen Schädlinge

Wie das Opfer seinen Feind entlarvt, erklären Markus Albert und seine Kollegen von der Universität Tübingen jetzt gemeinsam mit Forschern vom Sainsbury Laboratory im englischen Norwich in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Science“. „Die Kulturtomate erkennt ein bestimmtes Protein, das sich anscheinend in der Zellwand etlicher Teufelszwirnarten befindet“, erklärt der Pflanzen-Molekularbiologe diese Reaktion.

Dieser Befund verblüfft Botaniker zunächst einmal. Pflanzen wehren sich zwar durchaus mit einer Art Immunsystem gegen schädliche Bakterien, Pilze, Insekten und Spinnentiere. So erkennen die Gewächse beispielsweise gefährliche Mikroorganismen an speziellen Proteinen, die sich oft auf der Oberfläche des Angreifers befinden. Das funktioniert auch deshalb recht gut, weil sich Bakterien ganz anders als Pflanzen aufbauen. Da findet sich viel leichter ein Protein, auf das eine größere Gruppe von gefährlichen Mikroorganismen kaum verzichten kann und das meist auf der Oberfläche des Angreifers sitzt.

Speichert die Pflanze die Bauanleitung für eine Rezeptor genannte Struktur in ihrem Erbgut, die ähnlich exakt wie ein Schlüssel nur zu einem bestimmten Schloss passt, identifiziert sie so genau dieses Bakterienprotein. Meist sitzt dieser Rezeptor außen an der Pflanze und leitet Gegenmaßnahmen ein, sobald er einen gefährlichen Mikroorganismus entdeckt.

Genialer Abwehrmechanismus

Bei den rund 4500 bekannten Pflanzenparasiten, die vor allem in Afrika die Ernten erheblich dezimieren und so Schäden in Milliardenhöhe anrichten, ist dagegen alles anders. Sie sind genau wie ihre Opfer ebenfalls Pflanzen und so deutlich enger als Bakterien mit ihnen verwandt. Daher sind sich auch die Proteine ähnlicher.

Typische Strukturen des Parasiten können so leichter mit dem eigenen Gewebe verwechselt werden. Dann aber würde ein sogenannter Rezeptor die Verteidigungskräfte nicht nur gegen einen Angreifer, sondern auch gegen die eigene Pflanze richten. „Bisher hielten es Botaniker für unwahrscheinlich, dass Pflanzen einen solchen riskanten Abwehrmechanismus gegen Parasitenpflanzen dauerhaft im Erbgut speichern“, erklärt Albert.

Trotzdem erkennen Kulturtomaten ein solches Protein im Teufelszwirn und wehren sich so gegen den Parasiten, während ihre wilden Vorfahren aus den Andenländern Südamerikas diesen Trick nicht beherrschen. Das fanden die Forscher in aufwendigen Experimenten heraus. Ein direkter Vergleich des Erbguts beider Arten kann diesen Unterschied kaum aufklären, weil sie sich in einer Reihe weiterer Eigenschaften unterscheiden. So sind die wilden Tomaten zum Beispiel nicht essbar, die Kulturtomaten sind hingegen außerordentlich schmackhaft.

Widerstandskräfte stärken

Daher behandelten Markus Albert und seine Mitarbeiter 49 Kreuzungen aus Wild- und Kulturtomaten mit einem Extrakt aus Teufelszwirn, der in Kulturtomaten eine Abwehrreaktion auslöst. Tatsächlich produzierten mit Ausnahme einer einzigen dieser Linien alle anderen 48 das für Pflanzen typische Stresshormon Ethylen, mit dem Pflanzen eine Abwehrreaktion einleiten. In einer für Molekularbiologen typischen Detektivarbeit fanden die Tübinger Forscher genau die vorher unbekannte Erbinformation für den Rezeptor, der in der einzigen Zuchtlinie fehlt, die nicht auf den Teufelszwirn-Extrakt reagiert.

„Zurzeit untersuchen wir, wie das Protein des Teufelszwirns aufgebaut ist, das dieser Rezeptor erkennt“, berichtet Albert. Unabhängig von diesen Ergebnissen hat der Molekularbiologe aber schon jetzt mit seinem überraschenden Ergebnis eine Tür weit aufgestoßen, die Pflanzenzüchter bald nutzen könnten: Schließlich kämpfen wichtige Kulturpflanzen wie Soja und Kaffee ebenfalls mit Pflanzenparasiten, für die Widerstandskräfte ähnlich wie bei der Kulturtomate mehr als willkommen wären.