Im vergangenen Jahr stritt die Ampelkoalition lange über die Kindergrundsicherung – und einigte sich schließlich, was sie kosten darf. Doch der Streit geht weiter. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Konflikt.

Berliner Büro: Rebekka Wiese (rew)

Sie sollte eine der großen sozialpolitischen Reformen der Ampelkoalition werden. Inzwischen ist die Kindergrundsicherung einer ihrer größten Streitpunkte. Worum es geht, warum die Zeit drängt und ob das Projekt noch scheitern könnte – ein Überblick:

 

Worüber wird gestritten?

Aktuell vor allem über eine Frage: Braucht man eine neue Behörde mit 5000 zusätzlichen Stellen, um die Kindergrundsicherung einzuführen? So steht es im Gesetzentwurf. Er sieht vor, die bisherige Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit (BA) zum sogenannten Familienservice auszubauen. Der soll sich um alle Leistungen kümmern, die zur Kindergrundsicherung gehören.

Warum kommt das Thema jetzt auf?

Im Herbst verabschiedete das Kabinett den Entwurf, kurze Zeit später wurde er im Parlament beraten. Seitdem stockt das Projekt. Doch kürzlich bekräftigte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ erneut, dass es die zusätzlichen Stellen für die neue Behörde brauche. Die Koalitionspartner bezweifeln die Notwendigkeit. „Warum das Familienministerium gerade jetzt die ebenso alte wie absurde Forderung nach 5000 neuen Stellen wiederholt hat, erscheint rätselhaft“, sagte Johannes Vogel, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, der Deutschen Presse-Agentur. SPD-Chef Lars Klingbeil hatte schon vor Ostern gesagt: „Ich glaube, dass man da noch reduzieren kann.“

Scheitert die Kindergrundsicherung?

Das Projekt ist nicht aufgegeben. Die FDP wirft der Familienministerin allerdings vor, keinen seriösen Gesetzentwurf vorlegt zu haben und fordert eine zügige Überarbeitung. Ursprünglich sollte die Kindergrundsicherung zum 1. Januar 2025 in Kraft treten. Das gilt schon jetzt als unrealistisch. Geplant war, dass das Gesetz im Februar an den Bundesrat gehen sollte. Davon ist der Entwurf allerdings noch weit entfernt. Doch die Zeit läuft, lange lässt sich die Kindergrundsicherung nicht mehr schieben. Etwa ein Jahr dürfte es von der Verabschiedung bis zur Umsetzung brauchen – und in anderthalb Jahren sind schon Bundestagswahlen. Die SPD forderte deshalb, die Kindergrundsicherung schrittweise einzuführen. Die Grünen halten hingegen an dem Projekt fest.

Hatte sich die Bundesregierung nicht schon geeinigt?

Doch. Aber da ging es ums Geld. Im vergangenen Jahr stritten sich Familienministerin Paus und Finanzminister Christian Lindner (FDP) monatelang über die Frage, was das Projekt kosten darf. Paus forderte zwölf Milliarden Euro pro Jahr. Schließlich einigte man sich auf knapp 2,4 Milliarden Euro.

Was ist die Kindergrundsicherung?

Mit der Reform will die Bundesregierung gegen Kinderarmut vorgehen. Die Grundsicherung soll aus drei Teilen bestehen: dem Kindergarantiebetrag, dem Kinderzusatzbetrag und Leistungen für Bildung und Teilhabe. Der Kinderzusatzbetrag soll einkommensschwachen Familie zustehen, die Leistungen für Bildung und Teilhabe daran – oder alternativ an das Wohngeld – gekoppelt sein. Weil viele Familien nicht wissen, welche Unterstützung ihnen zusteht, sollen sie künftig informiert werden, wenn sie Aussicht auf den Kinderzusatzbetrag haben.

Was sagen Verbände?

Während die Grünen von ihren Koalitionspartnern und der Opposition kritisiert werden, unterstützen Sozialverbände das Vorhaben. „Es ist richtig, dass der Staat eine Bringschuld gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern hat und deshalb ist es auch richtig, eine Anlaufstelle für alle Familien zu schaffen“, sagte Kinderschutzpräsidentin Sabine Andresen dieser Redaktion. „Wer kein Interesse an der Bekämpfung von Kinderarmut hat, wird immer Ausreden finden.“ Alle anderen könnten Lösungen finden. „Letzteres erwarte ich von allen Regierungsparteien“, sagte Andresen weiter.