Das Landgericht erklärt eine Razzia bei der Winnender Band Normahl posthum für rechtswidrig. Die Staatsanwaltschaft hatte CDs mit Songs wie „Bullenschweine“ und „Pflasterstein flieg“ beschlagnahmen lassen.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Die Zeit, als er Songs wie „Bullenschweine“ oder „Drecksau“ zum Besten gegeben hatte, sind eigentlich lange vorbei. Heute sorgt sich Lars Besa, mittlerweile 48 Jahre reif, eher darum, dass die Kunden seines Handwerksbetriebs – Sanitär, Heizung Solar – keinen Grund zum Klagen haben. Doch mehr als 30 Jahre nach ihrer spätpubertierenden Phase sind der Frontmann der Winnender Band Normahl und drei seiner musikalischen Mitstreiter plötzlich ins Visier der Staatsmacht geraten. Der Verfassungsschutz in Sachsen war auf die Frühwerke der Punkband aufmerksam geworden – kurioserweise bei der Fahndung im rechtsextremen Milieu – und hatte den Fall wegen der örtlichen Zuständigkeit an die Stuttgarter Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Dort nahm man die Sache dankend auf, besorgte sich einen Durchsuchungsbeschluss beim zuständigen Amtsgericht und beorderte mehrere Polizeibeamte zu den Privatwohnungen der Musikveteranen, um CDs mit den Titeln „Bullenschweine“ und „Pflasterstein flieg“ sowie „sämtliche zur Herstellung dieser Tonträger erforderliche Gegenstände“ zu beschlagnahmen.

 

Diese Razzia hat das Stuttgarter Landgericht jetzt nachträglich für rechtswidrig erklärt und der Staatskasse die Kostendes Beschwerdeverfahrens auferlegt. Die 9. Große Strafkammer war tätig geworden, weil sich Raimund Wilfried Skobowski aus Plüderhausen mit seinem Rechtsanwalt Andreas Spätgens juristisch gegen den Durchsuchungsbeschluss gewehrt hatte. Skobowski, in Fachkreisen als „Scobo“ bekannt, ist der Schlagzeuger der 1978 gegründeten Band, die 2002, nach sechs Jahren Pause, ihr Revival gefeiert hatte.

Nicht nur dessen Beschwerde gegen die Durchsuchung hat das Landgericht unter Vorsitz von Wolfgang Hahn jetzt Recht gegeben. Auch die strittigen Lieder wurden weitgehend als zeitgeistlich rehabilitiert. Zwar seien auf den beschlagnahmten Tonträgern und Audiodateien durchaus gewaltverherrlichende Textpassagen zu finden, etwa in dem mehrfach wiederholten Refrain „Haut die Bullen platt wie Stullen“. Bei den dargestellten Gewalttätigkeiten handele es sich jedoch „nicht um grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten“, heißt es in der Begründung des Urteils. Auch ergebe sich „aus dem ebenfalls zu berücksichtigenden Gesamtkontext der beiden Lieder, dass die geschilderten Gewalttätigkeiten [. . .] aufgrund eines vermeintlichen Abwehrrechts gegen die von den als ,Bullen’ bezeichneten Polizeibeamten repräsentierte Staatsmacht verübt wurden.“

Und so endet die kuriose Ermittlung gegen die gesellschaftlich längst etablierten Ex-Revoluzzer nicht nur mit einem glatten Freispruch und der Erstattung der Auslagen für den Widerstand gegen die Staatsmacht. Ihrem dick verstaubten Song „Bullenschweine“ wurde im Lichte der durch die Aktion generierten Schlagzeilen eine wohl nie erreichte Popularität zuteil. Von null auf Rang zwölf schnellte der Titel im Februar laut dem Winnender Musikpromoter Hans Derer in der Liste der bestverkauften Downloads des Internetkaufhauses Amazon nach oben.