Wolfgang Joop weiß, was man von Stilikonen lernen kann: „Dresscode“ heißt das neue Buch des Modemachers. Darin nimmt er zwölf prominente Damen unter die Lupe und entwickelt anhand sehr verschiedenen Modetypen Tipps und Kniffe für den Alltag.

Stuttgart - Der Designer und TV-Darling Guido Maria Kretschmer hat mit seinem Stil-Leitfaden „Anziehungskraft“ vorgelegt, jetzt zieht Wolfgang Joop nach. Natürlich tut er das auf seine Weise: In „Dresscode – Stilikonen zwischen Kult und Chaos“ nimmt er zwölf prominente Damen unter die Lupe, um anhand dieser sehr verschiedenen Modetypen Tipps und Kniffe für den Alltag „en vogue“ zu entwickeln.

 

Beide Designer sind sich einig, dass Stil nichts mit Modelmaßen zu tun hat. Anders als Kretschmer möchte Joop sein Werk laut eigener Aussage allerdings nicht als Ratgeber verstanden wissen. Joops Analyse soll vielmehr als Inspiration für die Nicht-Promi-Frau dienen, es vom Fashion-Chaos in die Riege der Kultfiguren zu schaffen. Und selbst wenn es (womit zu rechnen ist) mit dem Aufstieg in den Olymp der Trendsetter nicht klappen sollte, kann man doch das Beste aus dem eigenen Typ machen.

Extravaganz ist keine Frage des Alters

Der Designer nimmt den mädchenhaften Stil des britischen It-Girls Alexa Chung auseinander und erklärt am Beispiel der 93-jährigen Iris Apfel, dass Mut zu extravaganter Mode keine Frage des Alters ist. Auch der royalen Garderobe von Kate Middleton widmet der 70-Jährige ein Kapitel. Die Pop-Sängerin Rihanna kommt in „Dresscode“ am schlechtesten weg; in ihren provokanten, überladenen Outfits sieht Joop weniger Vorbild-Potenzial als blankes Chaos. Immerhin erfährt frau auf diese Weise, zu welchen Kombinationen sie besser nicht greifen sollte.

Neben Fotos lockern Joops eigene Skizzen das Buch auf. Für diese ist er spätestens seit seinem Einstieg als Juror bei „Germany’s next Topmodel“ bekannt, wo er hin und wieder das Porträt eines Models zu Papier gebracht hat. Am Ende eines jeden Kapitels findet sich eine Liste mit Do’s und Don’ts, die das Vorhergegangene noch einmal auf den Punkt bringt.

Im Fokus: die Person, die man sein möchte

Dass Joop in seinem Leben über die deutschen Grenzen hinausgekommen ist, lässt er in seinem typischen Sprachenmix aus deutsch, englisch und französisch auch im Buch anklingen. In „Wolfys Fashion-Glossar“ übersetzt er deshalb Fachtermini wie „Editorialista“, was so viel wie Moderedakteurin bedeutet, spricht über das „Duckface“ oder die „Allure“, also die „Fashion-Aura“. Und genau darum, dass man seine ganz eigene Aura entwickeln soll, geht es. Im Fokus steht deshalb nicht die Person, die man ist, sondern diejenige, die man sein kann und möchte. Die zwölf vorgestellten Frauen, die man aus Klatschzeitschriften oder als Gäste in der ersten Reihe internationaler Modenschauen kennt, dienen als Beispiele für dieses Motto. Laut Joop lebt die Modebranche, die die Illusion als probates Mittel auserkoren hat, von der Selbstinszenierung. Ein bisschen Schummeln und Schauspielern ist also erlaubt.

Wichtiger als Makellosigkeit ist Marke

Die Stilikonen, die Joop in seinem Buch vereint, bedienen nämlich keineswegs alle das gängige Schönheitsideal. So findet sich nicht nur die Leserin mit den langen Beinen, dem wallenden Haar und den ebenmäßigen Zügen wieder: Viel erstrebenswerter als Makellosigkeit sei es, sich als Type zu behaupten und Selbstbewusstsein auszustrahlen. Über Wiedererkennungsmerkmale, die gern auch vermeintliche Mankos unterstreichen dürfen, wird man zur eigenen Marke. Das gewisse unverwechselbare Etwas hat zum Beispiel die Schauspielerin Tilda Swinton. „Tildas Gesicht ist alien. Sie macht es sogar noch alienhafter, fast weiß, indem sie ihre Albino-Wimpern nicht schwarz tuscht“, heißt es im Buch.

Hinter allem steckt eiskalte Berechnung

Auch auf die Frisur kommt der gebürtige Potsdamer immer wieder zu sprechen. Der markante Mittelscheitel und das stets ins Gesicht fallende Haar der einstigen Vogue-Chefredakteurin Carine Roitfeld oder der gewollt nachlässig gestylte Pony einer Caroline de Maigret machen deren Looks aus. Genau diese Lässigkeit – hinter der natürlich eiskalte Berechnung steckt – ist charakteristisch für den französischen Chic. Die durchdachte Zufälligkeit macht interessant, kann für die Trägerin aber durchaus anstrengend sein.

Wolfgang Joop empfiehlt auch, Trends bewusst auszulassen. Allerdings muss man schon recht gut informiert sein, um sich bewusst gegen sie zu entscheiden. Das Geheimnis ist, Leichtigkeit auszustrahlen, wo vielleicht nicht immer Leichtigkeit ist. Denn eines macht Joop klar: es steckt immer ein bisschen mehr Arbeit hinter der schönen Fassade, als es scheint.