Den klassischen Fernsehsendern läuft die junge Generation davon. Doch was haben die Netz-Konkurrenten Youtube und Co. was das Fernsehprogramm nicht bietet? – Ein Beitrag aus der Sicht eines 16-Jährigen.

Stuttgart - Balthasar Wörner ist Schüler am Georgii-Gymnasium in Esslingen und in den Sommerferien zwei Wochen Praktikant im StZ-Onlineressort. Aus der Sicht seiner Generation beschreibt der 16-Jährige, warum er und andere Jugendliche ihre Zeit lieber mit Youtube-Videos verbringen als mit der Tagesschau um 20 Uhr oder lahmen Witzen bei „Verstehen Sie Spaß?“.

 

Vier Milliarden aufgerufene Videos pro Tag, eine Milliarde monatliche Nutzer weltweit und bis zu 100 Stunden neues Videomaterial pro Minute. Gigantische Zahlen werden der US-amerikanischen Videoplattform Youtube zugeschrieben. Immer mehr bekommt dies auch das Fernsehen zu spüren. Vor allem junge Menschen wenden sich vom klassischen TV-Programm ab und verbringen einen Großteil ihrer Medien-Konsum-Zeit im Internet. Eine Studie der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) besagt, dass Jugendliche wie ich etwa drei Mal mehr Zeit im Internet als vor dem Fernseher verbringen. Doch woran liegt das?

Früher schaute ich mit meiner Schwester gerne TV-Shows wie „Verstehen Sie Spaß?“ an. Heute schauen wir sogenannte „Pranks“. Wie bei dem klassischen TV-Format werden auch dort Leute veräppelt – aber oft kreativer und lustiger als in der Show – und ohne irgendwelche Gäste, die man vorher noch nie gesehen hat, oder die Schweiger mit Nachnamen heißen. Ohne Leute also die nach zehn Minuten Spaß ihre Lebensgeschichte erzählen müssen. Für die normale Tagesschau schalte ich zwar noch ab und zu den Fernseher ein, wenn ich aber etwas andere, unkonventionellere Nachrichten sehen möchte, schaue ich „LeNews“ auf Youtube. Genauso ist es auch mit Serien-Folgen. Ich habe keine Lust, mich jeden „Mad Monday“, oder „Super-Serien-Donnerstag“ vor den Fernseher zu setzen. Selbst „Tatort“ schaue ich auf Youtube. Eben dann, wann ich ihn sehen will.

Am Fernsehen stört mich, dass schon alles im Vorhinein voll durchgeplant ist. Nichts, aber auch gar nichts, wird dem Zufall überlassen, alles wird genau auf Zuschauerquoten abgezielt und von Gremien abgesegnet, die sich kein Risiko leisten können. Spontaneität und neue, frische Ideen bleiben da oft auf der Strecke. Und wird in den öffentlich-rechtlichen Sendern doch mal versucht „jung“ und „hipp“ rüberzukommen, wirkt dies auf mich immer sehr plump, als ob 50-Jährige ihre Kinder ausgefragt hätten, was denn gerade modern sei. Dies wird dann irgendwie in eine Show gepackt, ein Moderator von Pro 7 wird an Land gezogen und man hat die vermeintlich perfekte Jugendshow – so gut wie immer zu den abartigsten Sendezeiten.

Die Werbepausen im Fernsehen nerven

Dafür werden altbekannte Sendungen, die einigermaßen gut laufen, bis zum Schiffbruch zu Ende geführt, was keinen der jüngeren Zuschauer auch nur im Ansatz anspricht („Wetten, dass..?“). Auf Youtube sind dagegen alle Generationen vertreten. Zwischen den Teenagern „Die Lochis“ oder dem Rentner Wilhelm Kramer, der seinen Let´s-Play-Kanal mit dem Slogan „Zum Zocken ist man nie zu alt“ bewirbt, gibt es alles. Ich habe die Wahl. Und das alles ohne nervtötende Werbung. Während im (privaten) Fernsehprogramm alle halbe Stunde für fünf Minuten Werbung läuft, kann ich den einen Spot, der vor einem Clip kommt, entweder nach fünf Sekunden überspringen oder von Anfang an per AdBlock blockieren.

Und wenn mir ein Video nicht gefällt, kann ich dem Produzenten direkt schreiben. Meine Kritik kommt sofort beim Uploader an. Durch die Kommentar- und die Like-/Dislike-Funktion entsteht ein sehr gutes Meinungsbild der User. Manche Video-Blogger sprechen in ihren Videos fast ausschließlich Themen an, auf die sie von ihren Zuschauern, ihrer „Community“, hingewiesen wurden. Dies schafft eine „familienähnliche“ Atmosphäre, was bei vielen Jugendlichen auch aus meinem Freundeskreis gut ankommt.

Ein paar Jahre Schonfrist

Brechen all diese Möglichkeiten, Chancen und das Gemeinschaftsgefühl im Netz den Fernsehsendern nun das Genick? Ich denke nicht, dass das klassische Fernsehen so schnell aussterben wird. Auch wenn im Vergleich zu 2011 der Fernsehkonsum von 14- bis 19-Jährigen um zehn Prozent zurückgegangen ist, gibt es noch die älteren Generationen, die dem Fernseher gegenüber treu sind und sein werden. Die Altersgruppen, die mit dem Fernsehen als „dem“ Medium aufgewachsen sind, werden sich davon auch nicht ohne Weiteres verabschieden. Die Fernsehmacher können also noch einmal durchatmen. Die nahe Zukunft ist meiner Meinung nach gesichert. Doch was ist in 40 Jahren, wenn ich zu den Ältesten gehöre? Meine Generation wird sicher nicht zum Fernseher switchen, nur weil wir alt werden.

Facebook aus der Sicht eines 16-Jährigen: Nicht mehr das, was es einmal war.