Eine Veranstaltung jagt die nächste. Chorfest, Jazz Open, Sommerfest. Auf dem Schlossplatz in Stuttgart ist der Ausnahmezustand zur Normalsituation geworden. Die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle kritisiert daher: „Der Platz ist übernutzt.“

Stuttgart - Der Stuttgarter Schlossplatz zählt den schönsten Plätzen Europas. So heißt es auf der Internetseite der Stadt Stuttgart. Der Aussage werden wenige widersprechen. Das spätbarocke Neue Schloss. Die Brunnen, die von Lustwandelwegen umspielt werden. Und die Concordia, die den Höhepunkt setzt. Hier gilt Goethes Bonmot: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein.“ Aber das einfache Nur-Da-Sein ist kaum noch möglich. Oft sind auf dem Platz, der im Besitz des Landes Baden-Württemberg ist, Feste, Veranstaltungen und Versammlungen. Begonnen beim SWR-Sommerfestival, über das Chorfest und die Jazz Open bis hin zum Sommerfest oder dem Wintertraum. Hinzu kommen kleinere Veranstaltungen: Das Amt für Öffentliche Ordnung beziffert die Zahl bis Anfang August auf 20. Dazu gehört etwa der Mukoviszidose-Tag. Hinzu kommen bis dato 213 Versammlungen. Das hat Folgen: Es wird oft auf- und abgebaut. Der Platz wirkt in dieser Zeit nicht als Platz, sondern als großes Veranstaltungs-Center in der Innenstadt.

 

Versammlungsfreiheit steht über allem

Diese Attraktivität des Schlossplatzes ist – je nach Perspektive – Fluch und Segen. Die Bandbreite der Meinungen dazu reicht von Zweckentfremdung und optimaler Nutzung. Auf dieses Schwarz-Weiß-Denken will sich City-Managerin Bettina Fuchs nicht einlassen: „Prinzipiell ist jede Veranstaltung gut, die den Erlebniswert der Innenstadt sowie die Aufenthaltsqualität steigert.“ Gleichzeitig stellt Fuchs aber in Frage, ob tatsächlich jede kleinere Veranstaltung oder Versammlung stattfinden müsse. Doch das Ordnungsamt hat dazu eine klare Linie: „Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut, ein absolutes Grundrecht. So etwas dürfen wir gar nicht ablehnen.“

Kienzle: weniger wäre mehr

Der Bezirksbeirat Mitte hat auch eine klare Position. Und die bringt Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle in einem Satz auf den Punkt: „Weniger wäre mehr.“ Zusammen mit dem Verschönerungsverein hat der Bezirksbeirat daher eine Nutzungskonzeption erstellt. Darin sind Forderungen wie eine Begrenzung der Dauer von Veranstaltungen oder eine Überwachung der Auf- und Abbauzeiten enthalten. Denn aus Sicht von Veronika Kienzle verkaufe sich dieser Platz „mit seinem Postkarten-Idyll“ weit unter Wert: „Der Schlossplatz ist eindeutig übernutzt.“ Ihr Vorschlag lautet daher die vielen Veranstaltungen thematisch zu bündeln. Zum Beispiel unter Rubriken wie Gesundheit oder Handwerk: „Denn der Schlossplatz ist nicht irgendein Platz, sondern der erste Platz der Landeshauptstadt.“