Im Prozess um das Zugunglück von Aibling werden seit Montag Bahnmitarbeiter vernommen. Sie berichten unter anderem über die Minuten nach dem Zusammenprall der beiden Züge.

Traunstein - Der Fahrdienstleiter von Bad Aibling, der ein Zugunglück mit 12 Toten ausgelöst haben soll, hat das Ausmaß der Katastrophe laut einer Zeugenaussage recht schnell erkannt. Der 40-Jährige soll kurz nach 7.00 Uhr zu einem anderen Bahnmitarbeiter am Telefon gesagt haben: „Die Kacke ist jetzt richtig am Dampfen.“ Das sagte ein Kollege des Angeklagten am Montag im Prozess beim Landgericht Traunstein. Bei seinem Telefonat habe der 40-Jährige recht aufgeregt gewirkt, berichtete der Bahnmitarbeiter weiter.

 

Beim Zusammenstoß von zwei Zügen am Faschingsdienstag um 6.47 Uhr waren 12 Menschen ums Leben gekommen und 89 teils lebensgefährlich verletzt worden. Der angeklagte Fahrdienstleiter muss sich wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verantworten.

Er hatte zu Prozessbeginn gestanden, an dem Februartag die Nahverkehrszüge durch Setzen eines Sondersignals gleichzeitig auf die eingleisige Strecke geschickt zu haben. Zudem gab er zu, verbotenerweise im Dienst auf seinem Smartphone gespielt zu haben.

Die Befragung des Zeugen machte auch deutlich, dass das Notrufsystem der Deutschen Bahn (DB) nach Zwischenfällen beim Personal als nicht optimal gilt. Auf die Frage eines Anwalts, der Angehörige von Opfern als Nebenkläger vertritt, sagte der Zeuge: „Es sollte eine einfachere Lösung geben.“ Denn es bestehe Verwechslungsgefahr beim Bedienen der Tasten.

Tatsächlich hatte der Angeklagte beim Abschicken des Notrufes, nachdem er seinen Fehler bemerkt hatte, versehentlich die Fahrdienstleiter in der Umgebung informiert und nicht die Lokführer der beiden betroffenen Züge. Es gibt dafür zwei verschiedene Tasten, die nahe beieinanderliegen.

Die Nebenkläger wollen im Prozess auch die Rolle der DB durchleuchten, die das Streckennetz betreibt, während die Bayerische Oberlandbahn (BOB) als privater Betreiber die Züge stellt. Nicht wenige Opfer sehen die Bahn in der Mitverantwortung. Angeklagt ist aber nur der Fahrdienstleiter.

Ein weiterer Bahnmitarbeiter, der am Unglückstag in der Notfallleitstelle in München Dienst hatte, sagte aus, dass auch bei ihm nur Minuten nach dem Zusammenstoß ein Anruf des Fahrdienstleiters eingegangen sei. Darin habe der 40-Jährige eingeräumt, dass er durch Setzen eines Sondersignals beide Züge gleichzeitig auf die Strecke geschickt habe.

Der unmittelbare Vorgesetzte des Angeklagten berichtete, sein Mitarbeiter sei sehr zuverlässig, pflichtbewusst und pünktlich gewesen. Es habe bis zum Unfalltag kein einziges dienstliches Vergehen gegeben. Von der unerlaubten Nutzung des Handys durch den 40-Jährigen habe er nichts gewusst, sagte der Vorgesetzte.

Er sagte aber aus, dass der Angeklagte am Unglückstag in seinen Unterlagen nicht vermerkt habe, dass er das Sondersignal gesetzt hatte. Dies sei jedoch Vorschrift. Als er kurz nach dem Unfall im Stellwerk von Bad Aibling eingetroffen sei, habe er nur gehofft, „dass das nicht passiert ist, was dann tatsächlich passiert ist“, so der Zeuge. Die Deutsche Bahn stellte ihren Mitarbeitern für deren Zeugenaussagen Rechtsbeistände zur Verfügung.

Entgegen der Ankündigung des Gerichts war die Befragung des Mitarbeiters jener Firma, von der das Fantasy-Spiel „Dungeon Hunter 5“ stammt, am Montag nicht vorgesehen. Dieses hatte der Angeklagte bis kurz vor dem Unglück gespielt. Für den Prozess sind sieben Verhandlungstage vorgesehen. Das Urteil soll am 5. Dezember verkündet werden. Die Höchststrafe für fahrlässige Tötung beträgt fünf Jahre.