Manche Strecken müssen weiterhin mit Dieselloks befahren werden . Im Bahnbetriebswerk Gammertingen werden ausschließlich dieselbetriebene Züge gewartet und gereinigt. Das wird auch noch viele Jahre so bleiben.

Kurz vor Weihnachten verkündete das Verkehrsministerium: „Baden-Württemberg läutet das Ende des Dieselantriebs auf der Schiene ein.“ Von 2029 an sollen weitere per Elektromotor angetriebene Züge landesweit zum Einsatz kommen. In Gammertingen im Kreis Sigmaringen, am südlichen Rand der Schwäbischen Alb, ist das Dieselzeitalter aber noch lange nicht vorbei. Im geschichtsträchtigen Bahnbetriebswerk dort werden Tag für Tag und Nacht für Nacht ausschließlich Diesel-Züge gereinigt und gewartet.

 

Die Gammertinger Eisenbahnwerkstatt ist fast so alt wie die Hohenzollerische Landesbahn (HzL), die seit 2018 einer der Verkehrsbetriebe der Südwestdeutschen Landesverkehrs-GmbH (SWEG) ist. Die HzL wurde 1899 gegründet, die Bahnbetriebswerkstätte mitten in Gammertingen 1908 eröffnet. So, wie sich der Schienenverkehr in diesen mehr als 100 Jahren gewandelt hat, hat sich auch die Werkstatt verändert. Einst war dort nur Platz für zwei Dampflokomotiven, heute kümmern sich die rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um insgesamt 38 LINT-Fahrzeuge mit dem „bwegt“-Logo, der Mobilitätsmarke des Landes.

Bei den Eisenbahnern ist „leicht“ sehr relativ

In der Abkürzungswelt der Bahnbetriebe steht LINT für „Leichter Innovativer Nahverkehrstriebwagen“, wobei „leicht“ sehr relativ ist. So ein LINT 54 zum Beispiel hat es in sich. Allein seine Drehgestelle wiegen rund 6,5 Tonnen pro Stück. Insgesamt bringt das Gefährt gut 100 Tonnen auf die Waage. So ein Gewicht will erst einmal hochgelupft sein, wenn ein Gestell kaputt ist. In Gammertingen schaffen sie das täglich.

Von den einstigen uralten Lokschuppen auf dem Werkstattgelände ist noch einer übrig. Für die heutigen Züge ist er längst zu klein, aber als Lager steht er noch gut da und erinnert an die lange Geschichte der Werkstatt. Die Schuppen wurden durch viel größere Hallen mit vier Werkstattgleisen ersetzt, zwei mit Grube, zwei mit Dacharbeitsstand – und eben auch mit Hebebühne, die einen 100 Tonnen schweren LINT 54 komplett hochhieven kann.

Die Gammertinger Diesel-Züge sind auf relativ steilen Strecken im Land unterwegs, zehn davon in Richtung Ulm und Heidenheim, 23 auf den Zollern-Alb-Bahnen, fünf auf der Bodenseegürtelbahn zwischen Singen und Lindau und zwischen Radolfzell und Friedrichshafen. Die Strecken in den Netzen 12, 14 und 54 sind längst noch nicht elektrifiziert, aber wegen ihrer Besonderheiten gerne mal Teststrecken für neue Techniken.

Vor zwei Jahren beispielsweise sorgte der Testbetrieb eines Brennstoffzellenzugs, also eines mit Wasserstoff betriebenen Fahrzeugs, für Aufsehen. Wie sich schnell herausstellte, war – neben den steilen Strecken – das größte Problem bei dieser Antriebstechnik die Druckbetankung. Die Tanklastwagen konnten nicht ausreichend Druck dafür erzeugen. Heute fährt das damals vor allem auf den Strecken Eyach - Hechingen und Hechingen - Gammertingen - Sigmaringen eingesetzte Fahrzeug irgendwo in Kanada.

Niemand sorgt sich um die Zukunft der Diesellok

Jetzt hat das Land also das „Vergabeverfahren für 120 elektrische und batterieelektrische Triebzüge“ begonnen. Die ersten dieser neuen Fahrzeuge sollen ab 2029 im ganzen Land eingesetzt werden – aber vorerst nicht auf dem Gammertinger Netz. „Die vom Land für 2029 beschafften Züge werden in anderen Netzen zum Einsatz kommen“, teilt die SWEG auf Nachfrage mit, haben also „nach heutigem Stand erst einmal keine Auswirkungen auf die SWEG-Bahnbetriebswerkstatt in Gammertingen“.

Deswegen macht man sich dort auch keine Sorgen um die Zukunft. Die Dieselfahrzeuge werden noch etliche Jahre unterwegs sein, müssen entweder alle 45 Tage oder nach einer bestimmten Kilometerzahl oder nach 1000 Betriebsstunden der Motoren gewartet werden. Außerdem gibt es ein mobiles Werkstattteam, das für kleinere Reparaturen regelmäßig zu den Zügen auf den Strecken fährt. Darüber hinaus sind in Gammertingen ohnehin alle möglichen Berufsbilder zu finden, die auch für Elektrozüge benötigt werden: Lackierer, die den leider regelmäßig besprühten Züge wieder zu ihrem ursprünglichen Aussehen verhelfen; Schreiner, die vor allem mit der Innenausstattung beschäftigt sind; Reinigungskräfte, die innen und außen sauber machen; Kfz- und Nutzfahrzeug-Mechatroniker und -Mechaniker, weil die Mechanik bei allen Fahrzeugen ähnlich ist. Und etwa ein Drittel der Belegschaft ist ohnehin schon Elektriker, weil auch die dieselbetriebenen Fahrzeuge längst mit Elektronik vollgepackt sind.