Die weltberühmte Londoner Architektin und Pritzkerpreisträgerin Zaha Hadid ist gestorben. Ihr erstes gebautes Werk steht im südbadischen Weil am Rhein: das Feuerwehrhaus für Vitra.

Stuttgart - Sie war die einzige unter lauter Platzhirschen, auf die das in Bezug auf ihre Profession hoffnungslos überstrapazierte Wort „Star“ wirklich zutraf. Zaha Hadid, die 1950 in Bagdad geborene Londoner Architektin, die erste Frau, die mit dem Pritzkerpreis, der weltweit wichtigsten Auszeichnung für Architektur, und bald darauf auch mit dem Praemium Imperiale geehrt wurde, baute nicht nur extravagante Markenzeichen in aller Welt, sie war auch selbst eine Marke: eine imposante, vorzugsweise in plissierte Gewänder des japanischen Designers Issey Miyake gehüllte Erscheinung, die mit heiserer Stimme und rasend schnellem Englisch ihre Zuhörer in Bewunderung und Schrecken versetzte. Bei dieser Frau wurden sogar der Architektur die Knie weich. „There are 360 degrees, so why stick to one?“ – zu Deutsch: Es gibt 360 Winkelgrade, also warum sich nur an einen halten? So lautete eine ihrer sprichwörtlichen Grundsatzfragen ans Entwerfen, mit denen sie nicht nur die traditionelle Lehre aufmischte, sondern auch potenzielle Bauherren in Deckung gehen ließ.

 

Es hat sehr lange gedauert, bis sich einer traute, Zaha Hadid bauen zu lassen. Und dieser eine war Rolf Fehlbaum, Chef der Möbelfirma Vitra. Anfang der neunziger Jahre beauftragte er die Architektin, ein Feuerwehrhaus für den Produktionsstandort im südbadischen Weil am Rhein zu realisieren – ein Gebäude, das die Gesetze der Schwerkraft (und des rechten Winkels) tatsächlich außer Kraft zu setzen schien und die Architekturkritik mit seinen pfeilspitzen Dachauskragungen und einem hauchdünnen, auf schrägen Mikadosäulen balancierenden Baldachin mehrheitlich verzückte. Danach war der Bann gebrochen. Es folgten prestigeträchtige Projekte rund um den Globus, darunter das Phaeno in Wolfsburg, das Rosenthal Center für Gegenwartskunst im amerikanischen Cincinnati, das Nationalmuseum in Rom, das Schwimmstadion für die Olympischen Sommerspiele in London 2012, die Oper im chinesischen Guangzhou und – 2015 fertiggestellt – das Mountain Museum für Reinhold Messner in Südtirol.

Zuvor hatten Hadids Projekte nur auf Papier oder Leinwand stattgefunden, in spektakulären Zeichnungen und Gemälden, auf denen sie ihre Häuser das Fliegen lehrte. Wie von einer geheimen Kraft auseinandergetrieben segelten etwa die Einzelteile ihres Entwurfs für „The Peak“ in Hongkong durch die Luft. Zum Olymp der Architektenavantgarde gehörte sie spätestens, als ein internationales Publikum diesen Bildern 1988 in der großen Dekonstruktivismus-Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art begegnete.

Wie eine elegante Klippe im Häusermeer

Als Vorbilder nannte sie damals russische Modernepioniere wie El Lissitzky und Kasimir Malewitsch, deren konstruktivistische Wolkenkuckucksheime ebenfalls Papier geblieben waren. Seither hatte Zaha Hadid zwar nicht die Liebe zur Geometrie entdeckt, aber ihr jüngerer Baustil wurde eher mit Vokabeln wie „fluide“ oder „kinetisch“ beschrieben – was unmittelbar einleuchtet, wenn man etwa den Innovation Tower in Hongkong aus dem Jahr 2013 betrachtet, der sich tatsächlich zu verflüssigen scheint und wie eine elegante, weiße Eisklippe aus dem Häusermeer der Millionenmetropole ragt.

Wie die BBC berichtete, erlag Zaha Hadid am Donnerstag in einem Krankenhaus in Miami, wo sie wegen einer Bronchitis behandelt wurde, überraschend einem Herzinfarkt. Sie wurde nur 65 Jahre alt.