Nicht viele Deutsche wurden als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Das Waiblinger Ehepaar Zeller gehört dazu. Nun haben die Nachkommen die Medaille samt Urkunde an die Stadt übergeben, die sie bald im Stadtmuseum zeigt.

Für Ulrich Zeller aus Rottenburg und seine weit verzweigte Familie ist es „eine Art Heimkommen an den Ort des Geschehens“. Am Mittwochnachmittag hat der Pfarrer in Ruhestand zwei wertvolle Erinnerungsstücke an die Stadt Waiblingen übergeben: die Urkunde sowie die Medaille, mit der seine Großeltern Elsbeth und Hermann Zeller im Jahr 2008 posthum als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet wurden. Dabei handelt es sich um die höchste Auszeichnung, die der Staat Israel an Nichtjuden verleiht. Bisher haben laut der Internetseite der Internationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem 28 217 Menschen diese Ehrung erhalten, nur 651 davon sind Deutsche.

 

Die Eheleute Zeller – er starb im Jahr 1953, sie 1968 – erhielten die Würdigung dafür, dass sie an ihrem Wohnsitz, dem Waiblinger Dekanat, in den Jahren 1944 und 1945 dreimal für mehrere Wochen das untergetauchte jüdische Ehepaar Max und Karoline Ines Krakauer versteckt hielten. Die Krakauers, die aus Leipzig stammten, konnten im Januar 1943 dank der Warnung einer Bekannten der Verhaftung durch die Gestapo entkommen und in den Untergrund gehen, wo sie sich Hans und Grete Ackermann nannten. Ab diesem Zeitpunkt waren sie darauf angewiesen, dass andere Menschen sie bei sich aufnahmen, versteckten und trotz knapper Lebensmittel ernährten.

Die Zellers handelten aus „tiefster christlicher Überzeugung“

Eine schwierige, eine lebensbedrohliche Situation für beide Seiten, wie der Oberbürgermeister Sebastian Wolf in seiner Rede hervorhob: „In der Stadt kannte jeder jeden, das Dekanat lag an zentraler Stelle neben dem Rathaus, und der Dekan war eine Person des öffentlichen Lebens.“ Wäre das Versteck aufgeflogen, so hätte das für die Krakauers, aber auch für die Familie Zeller schlimmste Folgen gehabt, betonte Wolf. Die Zellers hätten aus „tiefster christlicher Überzeugung“ geholfen, Nationalität, Religion und Herkunft hätten für sie keine Rolle gespielt: „Sie waren und bleiben Vorbilder.“

Das Ehepaar war Teil der sogenannten Württembergischen Pfarrhauskette. Das Netzwerk von protestantischen Pfarrern und Pfarrersfrauen bot untergetauchten Juden und anderen Verfolgten Unterschlupf. Weitere Glieder der Kette im Rems-Murr-Kreis waren die Pfarrersfrauen Martha Beck in Korb, Hildegard Spieth in Stetten sowie der Pfarrer Albert Kimmich und seine Frau Debora aus Waiblingen-Beinstein.

Der Antrag war erfolgreich

Hermann und Elsbeth Zeller Foto: Heimatverein Waiblingen

Bei der Feierstunde erzählte Ulrich Zeller, er erinnere sich an einen Besuch von Max und Karoline Krakauer bei seinem Vater in Besigheim Anfang der 1960er Jahre. „Da war ich etwa sechs oder sieben Jahre alt. Im Wohnzimmer saß ein vornehmes, altes, freundliches Ehepaar.“ Der Name Krakauer habe ihn und seine Familie von Kindheit an begleitet, berichtete Zeller. Dennoch seien er und weitere Nachfahren skeptisch gewesen, als sie vom Plan seines heute 88-jährigen Vetters Alfred erfuhren, für die Großeltern einen Antrag bei der Gedenkstätte Yad Vashem zu stellen. „Sie waren längst verstorben, sie waren nicht die Einzigen, und wir wollten uns nicht schmücken mit dem Titel der Großeltern.“ Der Antrag war erfolgreich – und auf Wunsch der Verwandtschaft verwahrte Ulrich Zeller Medaille und Urkunde, zeigte sie Schülern und Konfirmanden.

Im Waiblinger Haus der Stadtgeschichte werden die zwei Exponate bald eine Vitrine beziehen, kündigte die Museumsleiterin Kristina Kraemer an. Diese werde vis-à-vis von jener Glasvitrine stehen, in der das Festtagsgeschirr der jüdischen Waiblingerin Berta Kahn verwahrt wird. Sie sei deportiert worden, weil sie keine helfende Hand hatte, sagte Kristina Kraemer: „Hätten mehr Leute gehandelt wie Zellers, dann hätten wir im Museum vielleicht ein Exponat weniger.“

Das Buch „Lichter im Dunkel“ von Max Krakauer schildert die Odyssee des jüdischen Paars und erzählt von den Helfenden. Es ist im Calwer-Verlag als Taschenbuch erschienen und für 16,90 Euro erhältlich.