Anfang Juni sind die Europäer aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Dabei gibt es von Land zu Land Unterschiede. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Für viele gilt die Europawahl im Vergleich mit anderen Wahlen als weniger wichtig. Dabei werden in Brüssel regelmäßig Entscheidungen gefällt, die sich auch im Alltag der Menschen in Deutschland niederschlagen. Was kann das Europaparlament in Brüssel eigentlich entscheiden? Wen wählen die Europäerinnen und Europäer eigentlich – und wen nicht? Fragen und Antworten:

 

Wann findet die Europawahl statt?

Das kommt aufs Land an, denn nicht überall wird gleichzeitig gewählt. Der Zeitraum für die Wahl ist vom 6. bis 9. Juni. Als erstes können die Niederländerinnen und Niederländer ihre Stimme abgeben – sie machen den Auftakt am Donnerstag, 6. Juni. Es folgen Irland, einen Tag darauf Lettland, Malta und die Slowakei. Im Rest der EU – auch in Deutschland – findet der Urnengang am Sonntag, 9. Juni, statt.

Warum wählen nicht alle an einem Tag?

Damit sollen verschiedene Wahltraditionen in den Ländern beibehalten werden können. In der Bundesrepublik sind die Wahllokale wie auch bei Bundestagswahlen von 8 bis 18 Uhr geöffnet.

Wer darf wählen?

Erstmals dürfen in Deutschland auch Minderjährige an einer Europawahl teilnehmen. Das Wahlalter wurde von 18 auf 16 Jahre gesenkt. Damit steigt die Zahl der Wahlberechtigten im Vergleich zur vergangenen Europawahl im Jahr 2019 deutlich an: von rund 61,5 Millionen auf knapp 65 Millionen.

Deutschland ist damit eines der wenigen Länder, in denen auch Minderjährige wählen dürfen. Nach Angaben des EU-Parlaments vom August ist dies sonst nur in Österreich, Belgien, Malta und Griechenland möglich. In Griechenland liegt das Wahlalter bei 17 Jahren. Insgesamt gibt es in der EU knapp 360 Millionen Wahlberechtigte.

Deutsche, die nicht in Deutschland wohnen und an der Wahl teilnehmen wollen, müssen vor jeder Wahl einen förmlichen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellen. Je nachdem, in welchem Land man wohnt, gibt es laut Bundeswahlleiterin unterschiedliche Verfahren.

Wer wird gewählt?

Die Abgeordneten des Europaparlaments. Insgesamt werden 720 (neue) Mitglieder gesucht. Das sind zwar rein zahlenmäßig weniger Politikerinnen und Politiker als bei der letzten Wahl, als 751 Volksvertreter ins Parlament einzogen. Allerdings haben durch den Austritt Großbritanniens aus der EU auch zahlreiche Abgeordnete ihr Mandat verloren. Im Vergleich zur aktuellen Abgeordnetenzahl werden 15 Sitze mehr vergeben

Wie sind die Abgeordneten auf die Länder verteilt?

Deutschland ist das Land mit den meisten Wahlberechtigten und stellt als bevölkerungsreichstes Land der EU auch die meisten Abgeordneten. Dennoch sind die Deutschen im Parlament unterrepräsentiert. Während ein deutscher Abgeordneter im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung im Durchschnitt rund 875.000 Menschen vertritt, sind es bei einem Abgeordneten aus Malta nur knapp 100.000 Menschen.

Wie wird gewählt?

Das unterscheidet sich von EU-Land zu EU-Land, teils von Partei zu Partei. In Deutschland stellen die meisten Parteien bundesweit Listen auf, deren Reihenfolge auf einem Parteitag festgelegt wird. Je mehr Stimmen eine Partei bekommt, desto mehr Menschen von dieser Liste ziehen ein. Bei der CDU/CSU werden Listen nicht bundesweit, sondern auf Landesebene verabschiedet. EU-weit einheitlich ist, dass die Anzahl der Abgeordneten einer Partei proportional zur Anzahl der erhaltenen Stimmen sein muss. Länderübergreifende Listen gibt es nicht.

Welche Auswirkungen hat die Wahl?

Welche Mehrheiten im Parlament organisiert werden können, hat entscheidenden Einfluss auf neue EU-Gesetze. So musste bei vielen aktuellen Vorhaben wie etwa dem Verbrenner-Aus oder umstrittenen Naturschutz- und Klimagesetzen eine Mehrheit im Parlament zustimmen. Auch bei der Verteilung von Geld, wie der milliardenschweren EU-Agrarförderung, hat das Parlament einen großen Einfluss.

Die meisten Gesetze werden aber zusammen mit den EU-Staaten verhandelt und müssen auch im sogenannten Rat eine Mehrheit finden. Dort entscheiden Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen nationalen Regierungen. Auf die Mehrheitsverhältnisse in dieser Institution hat die Europawahl keinen direkten Einfluss.

Die Besetzung der EU-Kommission nach der Wahl kann das Parlament hingegen beeinflussen. Die Behörde hat das alleinige Recht, konkrete EU-Rechtsakte vorzuschlagen, die dann von Parlament und den EU-Staaten ausgehandelt werden. Zwar ist es zunächst Aufgabe der Staats- und Regierungschefs, einen Vorschlag für die Präsidentin beziehungsweise den Präsidenten zu machen, das Parlament kann diesen aber ablehnen. In der Regel wird auch ein Kandidat aus den Reihen der größten Fraktion im Parlament vorgeschlagen.

Der Rat und der designierte Präsident erarbeiten dann eine Liste der restlichen Kommissare, je einer aus jedem EU-Staat. Das Parlament muss auch der Ernennung der restlichen Kommissare zustimmen.

Welche nationalen Besonderheiten gibt es?

In Deutschland gibt es wie etwa auch in den Niederlanden keine Sperrklausel. Das heißt, sobald eine Partei rund einen Prozentpunkt bekommt, kann sie mit einem Sitz im Parlament rechnen. In den Niederlanden braucht es knapp 3,25 Prozent für einen Sitz. Andere Länder haben hingegen eine Sperrklausel. In Frankreich etwa muss eine Partei mindestens fünf Prozent der Stimmen auf sich vereinen, in Österreich sind es vier Prozent. Zudem besteht in einigen EU-Ländern formell eine Wahlpflicht. Das ist etwa in Belgien, Luxemburg oder Griechenland der Fall.