In Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen stehen Gebäude und Häuser, die einst einen völlig anderen Nutzen hatten als heute. Einige dieser steinernen und stummen Zeugen der Geschichte stellen wir in einer Serie vor. Heute: die ehemalige Uhlbergturnhalle in Plattenhardt.

Plattenhardt - Nur wenige hundert Meter neben der Filderklinik inmitten einer idyllischen Landschaft befindet sich im Haberschlai ein unscheinbares Gebäude, das eine wechselvolle und dramatische Geschichte erzählt. Bei dem fabrikähnlichen Bau handelt es sich um die ehemalige Uhlbergturnhalle. Die Halle wurde in den Jahren 1928 bis 1930 durch den 1895 gegründeten Arbeiter-, Turn- und Sportbund Plattenhardt erbaut. Sämtliche Arbeiten an dem Gebäude wurden von Mitgliedern des Vereins in Eigenleistung ausgeführt.

 

Bei der Finanzierung des Baus bürgte die Gemeinde Plattenhardt für einen Kredit des Vereins bei der Oberamtssparkasse Stuttgart in Höhe von 12 000 Mark. 1930 feierten die stolzen Vereinsmitglieder das Richtfest ihrer selbsterbauten Turnhalle. Doch die Freude währte nicht lange. Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurden 1933 zahlreiche Vereine verboten, die der Arbeiterschaft nahe standen. In Plattenhardt waren insgesamt acht Vereine davon betroffen, darunter auch der Arbeiter-, Turn- und Sportbund. Nur drei Jahre nach der feierlichen Einweihung der Halle musste der Betrieb wieder eingestellt werden.

Die Turnhalle diente als Lager für die Lufthansa

Die Halle wurde von der Gemeinde beschlagnahmt und zwischenzeitlich teilweise an den Radfahrverein „Pfeil“ zum Training überlassen. Später diente die Turnhalle als Lager für die Lufthansa. In den Jahren 1944/45 mietete der Fliegerhorst-Kommandant des Flughafens Stuttgart die Uhlbergturnhalle an, um dort Ersatzteile für das Militärflugzeug Messerschmidt Bf 110 einzulagern. Die zweisitzige Maschine kam im Luftkrieg über Polen, Norwegen und Frankreich als Jagdbomber, Fernaufklärer und Kampflugzeug zum Einsatz. Während des Zweiten Weltkriegs wurden vom Flughafen Stuttgart aus Aufklärungs- und Bombereinsätze geflogen.

Das Flughafengelände wurde 1945 von der französischen Armee erobert. „Nach dem Einmarsch der Franzosen am 20. April 1945 wurde die Uhlbergturnhalle den Plattenhardtern fast zum Verhängnis“, berichtet Filderstadts Stadtarchivar Nikolaus Back. Als die Franzosen die Bordkanonen und Maschinengewehrteile in der Turnhalle entdeckt hatten, habe es einen Riesenärger gegeben. „Den Franzosen war nämlich zuvor versichert worden, dass es in Plattenhardt keine Waffen der Wehrmacht geben würde“, sagt Back. Laut Ortschronik berichtete einst der Plattenhardter Bürgermeister Gottlob Bauer: „Die Gemeinde musste als Strafe in zwei Stunden 50 000 Reichsmark als Kontribution aufbringen und den Franzosen abliefern. Von sämtlichen Parteigenossen wurde ein kompletter Anzug verlangt, ebenfalls ein Paar Stiefel.“ Nikolaus Back ergänzt: „Vermutlich hat sich die Gemeinde das Geld teilweise auch bei der Bevölkerung geliehen, denn Geld war bei Privatleuten vorhanden, da es kaum etwas zu kaufen gab.“

Es gab einen jahrelangen Rechtsstreit

Somit ist die Gemeinde letzten Endes noch einmal glimpflich davon gekommen. Nach Kriegsende ist die Turnhalle von 1946 bis 1951 an die Textilfirma Tricotagenfabrik Arthur und Theophil Fügel aus Plattenhardt vermietet worden, welche 1951 in einen Neubau an der Saarstraße gezogen ist. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit mit der Gemeinde wurde die Uhlbergturnhalle 1952 schließlich der Turn- und Sportvereinigung (TSV) Plattenhardt zugesprochen. Der TSV Plattenhardt ist aus dem einstigen Arbeiter-, Turn- und Sportbund entstanden. Bis 1963 wurde die Halle durch den Verein für sportliche Zwecke genutzt. Um das neue Sportheim in den Lailensäckern finanzieren zu können, verkaufte der TSV jedoch die Uhlbergturnhalle an die Gemeinde.

Gleich mehrere Firmen nutzten anschließend die Räume, darunter auch die mechanische Werkstatt Erwin Raff aus Degerloch und eine Siebdruckerei. Vor knapp zehn Jahren ist das ursprüngliche Gebäude umgebaut worden und wird seither als Wohnraum und Werkstatt für die Firma Raff und einen Steinbildhauer genutzt. Lediglich ein Schild des historischen Rundwegs deutet heute noch auf die längst vergangene Geschichte der Turnhalle.