In der DDR war die Blütenbildnerei ein eigenes Gewerbe. Das Museum Welzheim zeigt Stücke aus dem Fundus der wohl letzten, international bekannten Blütenbildnerin Christiane Schlüssel. Aus gepressten Pflanzenteilen hat sie eine eigene Welt geschaffen.

Eine Pinzette und ein feiner Pinsel – mit diesen beiden Werkzeugen und viel Geschick hat Christiane Schlüssel über Jahrzehnte ein ganz besonderes, seltenes Handwerk ausgeübt: die Blütenbildnerei. Aus gepressten Blüten und Blättern arrangiert die Frau aus Auerbach im Erzgebirge – der Partnerstadt von Welzheim – Menschen, Tiere, Gegenstände und ganze Landschaften, die sie mithilfe von Tapetenkleister und Holzkaltleim dauerhaft fixiert. Meist kleben die kleinen bunten Meisterwerke auf Papier, zieren Grußkarten, Leporellos, Bücher und Kalender. Mit manchen hat Christiane Schlüssel aber auch dicke Kerzen verschönert, andere hat sie buchstäblich zu filigranen Schmuckstücken verarbeitet.

 

Mit mehr als 80 Jahren geht es in den Ruhestand

Einige der Schmuckstücke aus gepressten Blüten Foto: Gottfried Stoppel

Eine Auswahl davon ist von Sonntag an im Museum Welzheim in der Sonderausstellung „Frühling, ja du bist’s“ zu sehen. Diese bietet laut Wolfgang Grabe vom Historischen Verein Welzheimer Wald „die allerletzte Möglichkeit“, sich einen Eindruck von Christiane Schlüssels besonderen Gemälden zu verschaffen. Deren 80. Geburtstag liegt einige Jahre zurück, weshalb die wohl deutschlandweit letzte hauptberufliche Blütenbildnerin ihre Werkstatt nun endgültig schließt.

Das Ende einer langen Erfolgsgeschichte. Diese begann im Jahr 1942, als Christiane Schlüssels Mutter Hildegard Vogel im Örtchen Auerbach ihr Hobby zum Beruf machte und in ihrem Zuhause, dem Zipfelhaus, eine Werkstatt gründete. Dort kreierte sie mit viel Fantasie und gepressten Blüten und Blättern aus dem eigenen Garten und der Umgebung filigrane Meisterwerke, die als „Zipfelhausbilder“ schnell bekannt wurden. Jedes davon sei ein Unikat, berichtet Wolfgang Grabe: „Sie hat alle Pflanzenteile so verwendet, wie die Natur sie geschaffen hatte – da wurde nichts zurecht geschnippelt.“ Auch Ergänzungen mit dem Pinsel waren für Hildegard Vogel tabu. Gleiches gilt für ihre Tochter Christiane, die in den 1950er Jahren in den Betrieb einstieg. Die Blütenbilder – allein Hildegard Vogel kreierte rund 2000 Entwürfe – waren damals äußerst gefragt. Zeitweise sei die Belegschaft auf knapp 40 Mitarbeitende angewachsen, erzählt Wolfgang Grabe, der die Exponate für die Welzheimer Ausstellung bei Christiane Schlüssel in Auerbach abgeholt und hertransportiert hat.

Aus Gladiolen werden Störche, aus Kornblumen Libellen

Die Originalpresse aus dem Zipfelhaus in Auerbach Foto: Gottfried Stoppel

Neben den Blütenbildern selbst sind Schwarz-Weiß-Fotos zu sehen, die Hildegard Vogel, Christiane Schlüssel und ihr Team bei der Arbeit zeigen – beim Pressen und arrangieren der Blätter und Blüten, die nach Sorten getrennt in Schränken und Kommoden mit vielen Schubladen gelagert wurden. Auch eine Originalpresse aus der Werkstatt ist zu sehen, zudem Papierbögen mit sorgfältig getrockneten Osterglocken, Schlüsselblumen oder Krokussen. Aus Kornblumen ließen sich besonders gut Libellen kreieren, hat Christiane Schlüssel mal verraten. Gladiolen seien eine prima Grundlage für Störche, Löwenzahnstängel dienen als die Basis für Schnecken.

„Die Blütenbildnerei war in der DDR ein eigenes Gewerbe“, sagt Wolfgang Grabe und deutet auf eine Urkunde, die beweist, dass Christiane Schlüssel selbst in Japan Fans hatte und noch hat: 1999 holte sie dort einen zweiten Preis für eines ihrer Kunstwerke – unter insgesamt 20 000 Einsendungen.

Vom Räuchermännchen bis zum Sandspielzeug

Neben den Zipfelhaus-Bildern zeigt das Museum die für das Erzgebirge ebenfalls typischen geschnitzten Holzfigürchen und Räuchermännchen. In einem weiteren Raum hat das Museumsteam vieles zusammengetragen, was den Frühling ausmacht – vom Picknickkorb über Sämereien, Sandspielzeug und Wanderkarten bis zu Gedichten.

Die Ausstellung in der Pfarrstraße 8 in Welzheim eröffnet am Sonntag, 17. März, und ist bis 30. Juni sonntags von 13 bis 16 Uhr offen. Mehr dazu unter www.museumwelzheim.de .