Falls wieder ein Lockdown ausgerufen wird, bedarf es Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum. Was kann geschehen, wenn man auf ihnen Platz nimmt? Heute: das Bank-Idyll in Stuttgart-Hohenheim.

Hohenheim - Wenn man am späten Nachmittag den Exotischen Garten der Uni Hohenheim betritt, ist es in Plieningen ein bisschen wie vor Corona am Meer: Alle Bänke sind voll. Aber wenn man Glück hat, tritt nach ein wenig Wanderschaft eine dieser Begebenheiten ein, die geeignet waren, Ferien etwas Magisches zu verleihen: Die am schönsten von allen situierte Holzbank wartet unbeansprucht von anderen unter einem mächtigen Urweltmammutbaum, auch Chinesisches Rotholz genannt. Von dort blickt man auf einen Seerosenteich, der auf der Karte am Eingang des Parks als „Japansee“ bezeichnet wird.

 

Aus der Ferne sind Autos zu hören, okay, und dann und wann ein Flugzeug. Aber wenn es vorbeigeflogen ist und der Wind auffrischt, hört man das Rascheln des Schilfs am Weiher und das Zwitschern der Vögel. „Die fallen nicht runter“, sagt ein spazierender Mann zu seinem Hund.

Ansonsten ist nicht viel los im Idyll, außer dass eine jüngere und eine ältere Frau am Teich mit einem kleinen Mädchen spielen, das nach einer Weile im Gras eine Feder findet. Eine Zeit lang trägt das Mädchen den Vogelverlust umher, aber als die Drei in Richtung der bombastischen Silber-Lerche aufbrechen, wirft das Mädchen zum Abschied die Feder in den Teich, so als gehöre sie genau dort hin. Dann geschieht lange nichts, das einen daran hindern würde, sich Entsprechendes mit sich selber und dieser Bank auszudenken.

Was ist denn dieses Gitterding? Ein grill wäre ja verboten im Park

Gegen 18 Uhr lässt sich eine zehnköpfige Gruppe – Studenten vielleicht – auf der Wiese unweit der Bank nieder. Mit dabei sind ein junger Mann, der einen Ball sehr oft auf seinem Kopf balancieren kann, eine auf einem Fahrrad montierte Kiste Bier sowie ein rundes Gitterding, das zunächst aussieht wie ein Grill, der hier ja verboten wäre. Aber bald schon entpuppt sich das Gitterding als Mini-Trampolin für einen kleinen Ball, der von vier jungen Männern mit den Händen reihum geschlagen wird. „Sehr schön, ja Mann, so stark“, ruft einer nach einem Hechtsprung in einem besonders intensiven Spielzug eines Sport, der wie eine Kreuzung aus Tischtennis und Volleyball wirkt, aber Spikeball heißt. Bald darauf landet der Ball, der grüne, im Teich, und zwei der Männer eilen zu dessen Ufer, aber wissen offenbar nicht, wie das Spielgerät zurückkommen könnte. „Hallo, lieber Fisch“, sagt einer der beiden zu dem stummen Teichbewohner, der tatsächlich im Wasser schwimmt, aber entweder kein Deutsch versteht oder nicht hilfsbereit gestimmt ist. Schließlich erledigt der Wind den Job und treibt den Ball ans Ufer, wo ihn der Fischsprecher aus dem Wasser klaubt. Als er aufblickt, sieht er drei junge Frauen, die in eleganter Sommergarderobe zur Silber-Lerche streben – samt jener Art von Korbware, die manchmal in Prospekten abgebildet sind, die in der U-Bahn auf dem Boden liegen.

Mit dem Picknickkorb unter der Silber-Lerche

Die drei jungen Frauen sprechen Schwäbisch: Es scheint um einen Mann zu gehen, dessen Hemden ihnen nicht gefallen. Der Park füllt sich jetzt: Eine alte Frau mit Wanderstöcken und eine junge Frau ohne gehen den Weg entlang, während sie Worte auf Russisch austauschen. Ein Mann trägt einen kleinen Jungen zum Teich, er scheint ihm das Dasein des Fisches darin zu erklären, womöglich auf Kisuaheli. Die Frauen mit dem Picknickkorb haben sich mittlerweile unter der Silber-Lerche niedergelassen, und auch die Ballspieler machen Pause, wohingegen die Zwitscher-Aktivität der Vögel zu steigen scheint. Der Mann mit dem Hund kommt noch einmal vorbei, und wenn man will, kann man den Blick des Tieres astwärts als sehnsüchtig interpretieren. Der Mann sagt wieder: „Die fallen nicht runter.“